Präsidentenwahl: Mexiko am Scheideweg

Wer macht am Sonntag das Rennen um die mexikanische Präsidentschaft? Traut man den letzten Umfragen, hat der telegene Ex-Gouverneur Peña Nieto wohl die besten Chancen auf den Sieg. Der 45-jährige Karrierepolitiker ist das frische Gesicht der "Partido Revolucionario Institucional", jener Partei die Mexiko 70 Jahre lang mit eiserner Hand regierte, bevor sie 2000 abgewählt wurde.

Mittagsjournal, 30.6.2012

ORF-Reporter David Kriegleder berichtet aus Mexiko.

Nieto nicht mehr klar voran

Über Monate hinweg hatten Umfragen dem Ex-Gouverneur einen klaren Sieg prophezeit. Doch in den letzten Wochen ist sein Vorsprung geschrumpft. Widerstand regt sich in Mexikos erstarkter Zivilgesellschaft, allen voran die frisch gegründete Studentenbewegung "yosoy132", übersetzt: Ich bin der 132ste.

Die Bewegung, deren Namen auf ihre Entstehung in der Welt von Youtube und Twitter zurück geht, fordert ein demokratischeres Mexiko und die Reform des korrupten Mediensektors. Dafür hat sie landesweit zehntausende Demonstranten mobilisiert. Cesar Rojas, ein Sprecher von yosoy132, erklärt den Widerstand gegen Peña Nieto: "Die Art und Weise wie er als Gouverneur regiert hat, zeigt uns seinen repressiven politischen Charakter. Es ist diese Einparteien-Herrschaftsmentalität, die zu den Studentenmassakern von 1968 und 1971 geführt hat. Wir fürchten, dass die PRI massiv Stimmen kaufen und das Land zurück zur autoritären Herrschaft führen wird."

Linke buhlt um Modernisierungsverlierer

Obwohl sich die Bewegung als unparteiisch deklariert, hat vor allem die Linkspartei Partido de la Revolución Democrática (PRD) von ihrem Momentum profitiert. Deren Präsidentschaftskandidat Andres Manuel Lopez Obrador ist ein alter Hase auf Mexikos politischer Bühne. Der ehemalige Bürgermeister von Mexiko City kandierte schon 2006 einmal für das Amt des Präsidenten und unterlag damals nur ganz knapp dem jetzigen Präsidenten Felipe Calderón.

Obrador verspricht mehr soziale Gerechtigkeit und adressiert damit vor allem die Modernisierungsverlierer Mexikos. Am Mittwoch versammelten sich tausende seiner Anhänger auf Mexico Cities Straßen, eine begeisterte Frau: "Als Bürgermeister dieser Stadt hat Obrador bewiesen, dass er seinen Worten auch Taten folgen lässt. Er hat die Arbeitslosigkeit und die Kriminalität erfolgreich bekämpft. Deshalb vertrauen wir ihm, er kann das Land verändern."

Vasquez Mota als erste Präsidentin unwahrscheinlich

Und dann ist noch Josefina Vazquez Mota, die Spitzenkandidatin der seit zwölf Jahren regierenden Mitterechtspartei Partido Acción Nacional (PAN). Sie hofft, als erste Frau in den mexikanischen Präsidentenpalast einzuziehen. Umfragen sehen sie jedoch abgeschlagen auf dem dritten Platz. Vazquez Mota kämpft mit dem Unmut der Bevölkerung, die PAN habe seit ihrer Machtübernahme nicht genug für das Land getan.

Der prominente Politikexperte Sergio Aguayo fasst diesen Unmut zusammen: "Die PAN hat ihr Versprechen gebrochen, Mexiko tiefgreifend zu verwandeln. Die Billionäre, die große Teil der Wirtschaft kontrollieren, die Korruption und die Machtnetzwerke - vieles ist beim Alten geblieben. Hinzu kommt der Kampf gegen die Drogenkartelle. Teile Mexikos befinden sich im Krieg und die PAN hat nicht nur keine Lösungen, sie ist mitverantwortlich für seine Entstehung."

Poet fordert Mexikaner auf, ungültig zu wählen

Gegen die eskalierende Gewalt wettert auch die Friedensbewegung des bekannten Poeten Javier Sicilia. Seit sein Sohn von Kartellschergen ermordet wurde, kämpft der Mittfünfziger landesweit mit Opfermärschen für Gerechtigkeit. Desillusioniert von der politischen Klasse fordert er die Bevölkerung auf, ungültig zu wählen: "Wir haben die Schnauze voll von den Reden der Politiker. Mexiko braucht konkrete Lösungen, aber das einzig Konkrete das wir haben sind Morde, Entführungen und Straflosigkeit."

Mexiko steht also am Scheideweg: vorwärts in die Vergangenheit in Form Peña Nietos oder ein von Studenten mitgetragener Linksruck durch Lopez Obrador. Der Gewinner, wie immer er heißen mag, wird ein polarisiertes und von der Gewalt erschüttertes Land erben.