Hitzige Debatte über ESM und Fiskalpakt
Emotional und hitzig startete der Nationalrat in seine letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause. Der Grund: Heute werden der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) und der Fiskalpakt vom Parlament beschlossen, gegen den erbitterten Widerstand von FPÖ und BZÖ.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 4.7.2012
Klaus Webhofer aus dem Parlament
Lebhafte "Einwendungsdebatte"
FPÖ und BZÖ sind zu Beginn der Debatte am Mittwoch mit ihrem Ansinnen, die Debatte und Beschlüsse über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und den Fiskalpakt von der Tagesordnung zu streichen, wie erwartet gescheitert. SPÖ, ÖVP und Grüne stimmten gegen dieses Ansinnen. FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache und BZÖ-Obmann Josef Bucher wetterten in der Einwendungsdebatte einmal mehr scharf gegen die neuen Instrumente, Strache sprach etwa von einem "Verfassungsputsch". Die Regierungsfraktionen sowie die Grünen wiesen dies zurück.
"Teufelswerk"
Bucher prophezeite, SPÖ, ÖVP und den Grünen werde das Lachen noch vergehen - nämlich dann, wenn die ersten Banken und Staaten tatsächlich pleite gehen. Dann werde nämlich von dem "Teufelswerk, das sie heute beschließen", kein Geld zurückbleiben. ESM und Fiskalpakt seien zum Schaden Österreichs. Mit den Beschlüssen würden die nächsten Generationen verpfändet, so Bucher. Er verwies auf Deutschland, dort werde schon über Alternativen nachgedacht.
"Verfassungsputsch"
Strache erklärte, die von seiner und der BZÖ-Fraktion angestrengte Einwendungsdebatte sei "kein billiger Aktionismus", sondern begründe sich aus "tiefer Sorge". Der ESM sei nämlich de facto die Übertragung der "österreichischen Souveränitätsrechte" in Richtung einer "diktatorischen Einrichtung mit dem Namen Gouverneursrat" - letzterer stelle ein Instrument einer Finanzdiktatur dar, sagte Strache.
Es handle sich beim ESM um "nichts anderes als ein Verfassungsputsch bzw. einen kalten Staatsstreich, der de facto die Abschaffung der Zweiten Republik darstellt" und ein Aufgehen in einer zentralistischen Diktatur, so Strache, der von einem "Ermächtigungsgesetz" sprach. Dies bedeute, dass die "ureigenste Kompetenz", nämlich die "parlamentarisch Budgethoheit" abgetreten werden soll. Dies sei seiner Meinung nach aber nur mit einer Volksabstimmung durchsetzbar - "die sie aber verweigern", sagte Strache in Richtung Regierungsparteien und Grüne.
Feuerwehrvergleich
Der Grüne Budgetsprecher Werner Kogler wandte sich heftig gegen Straches Wortwahl "Verfassungsputsch" und Ermächtigungsgesetz, die im Jahr 1933 die Wegbereiter für die Diktatur gewesen seien. Ansonsten verteidigte Kogler die geplante Zustimmung seiner Fraktion zum ESM. Der ESM sei zwar "durch und durch ambivalent", räumte er ein. Aber richtig angewendet könne er eine "Waffe gegen Spekulation werden". Falsch angewendet könne er aber auch die Spekulation noch befördern. In Richtung der rechten Opposition sagte er: "Sie werden aber doch den Ankauf eines Feuerwehrfahrzeuges nicht verhindern wollen, nur weil es missbräuchlich verwendet werden kann?" Auch er verwies darauf, dass es Kontrollrechte des Parlaments gebe: "Das gibt es außer im Deutschen Bundestag nirgends."
Gegen "Angstmacherei"
SPÖ-Klubobmann Josef Cap sagte, die Ausführungen von FPÖ und BZÖ seien eine Mischung aus Angstmacherei und Alternativenlosigkeit. "Davon hat der Bürger und die Bürgerin nichts." Man müsse die Szenarien auch zu Ende denken: "Wenn sie Banken krachen gehen lassen, denken sie nicht an die Sparer?" Cap verwies darauf, dass man auch ein Mitwirkungsrecht des Parlaments bei der Vergabe der Mittel aus dem ESM beschließe - "Das ist entscheidend". Beim ESM gehe es auch darum, dass der Euro weiter gesichert ist, so Cap. Europa brauche eine hohe Kaufkraft. Eine Rückkehr zum Schilling, wie es auch der "kanadische Opa" Frank Stronach angeregt habe, sei keine Option, sondern der Weg ins Chaos, so Cap.
Gegen Spekulanten
VP-Klubchef Karlheinz Kopf betonte, dass die Solidarität Österreichs mit den kriselnden EU-Staaten durchaus eigennützig sei, diene sie doch dazu, die ganze Union aus den Fängen der Kapitalmärkte und Spekulanten zu befreien. Freiheitliche und BZÖ erinnerte Kopf wieder einmal daran, dass in Österreich die anderen Bundesländer ohne Murren die Hilfsmaßnahmen für die Kärntner Hypo mitgetragen hätten: "Hätten wir damals nach dem Motto von FPÖ und BZÖ gehandelt, hätten wir Kärnten pleite gehen lassen müssen."
Misstrauensantrag
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) tadelte den "Populismus" von Freiheitlichen und BZÖ: "Wer nur Spaß an der Apokalypse hat, trägt nichts Konstruktives in dem Land bei", sprach Faymann. Die FPÖ zeigte sich unbeeindruckt und brachte einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung ein.
Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) bemühten sich klarzustellen, dass die von Freiheitlichen und Orangen gestarteten Anti-ESM-Initiativen für Österreich nur Nachteile brächten. Denn immerhin seien Arbeitsplätze, Exporte, Wirtschaft und Kaufkraft davon abhängig, dass man die Euro-Krise nun gemeinsam bewältige, argumentierte der Kanzler. Spindelegger rechnete vor, dass ein Scheitern des Europäischen Stabilitätsmechanismus in Österreich jeden zehnten Arbeitsplatz kosten würde und viele Betriebe in den Konkurs schicken würden. (Text: APA, Red.)