Krimi von Leonardo Padura
Der Schwanz der Schlange
Das "Barrio Chino", das alte Chinesenviertel, ist das, was man in einem ohnehin schon bröckelnden Havanna, der Hauptstadt Kubas, ein heruntergekommenes Stadtviertel nennt. In den gängigen Reiseführern findet dieser hinter dem Kapitol und der Zigarrenfabrik Partagas gelegene Distrikt selten eine Erwähnung.
8. April 2017, 21:58
In diesem "Barrio" hat Leonardo Padura - bekannt für sein höchst lobenswertes und im Laufe der letzten Jahre auch in deutscher Übersetzung erschienenes Havanna-Krimi-Quartett - Ort und Geschehen einer kriminalliterarischen Petitesse angesiedelt, die bereit Ende der 1990er Jahre im Original veröffentlicht worden ist.
Er hat diese Erzählung, wie er sie nennt, vor ihrem jetzigen Erscheinen mehrfach überarbeitet und betrachtet sie nicht als "literarischen" Teil seines "Havanna-Quartetts". Eine Mischung aus Bescheidenheit und Unfug, denn natürlich ist auch dieser schmale Band ein echter "Havanna-Krimi". Begonnen beim Helden. Der ist der gleiche wie immer: Mario Conde, zum Zeitpunkt dieses Buchs noch Polizeikommissar - später hat er ja den Dienst quittiert und ist zum Händler antiquarischer Bücher und zum Privatdetektiv avanciert.
Mord im Chinesenviertel
Aber zum Plot des Buches mit dem Titel "Der Schwanz der Schlange": Im "Barrio Chino" wird die Leiche eines alten Mannes gefunden, ein vor Jahrzehnten nach Kuba eingewanderter Chinese. Ein Einwanderer von vielen Tausenden, daher auch der Name des Stadtviertels. Die ersten Spuren und Tatortermittlungen deuten auf einen Rache- und Ritualmord in der chinesischen Gemeinde hin.
Mario Conde wird zu dem Fall hinzugezogen, weil er als heller Kopf in der Polizei Havannas gilt, vor allem aber weil er ein Verhältnis mit einer kubanischen Polizeikollegin chinesischer Herkunft beginnen will, die ihn ersucht hat, hier tätig zu werden.
Nebenbei und hier gesagt: eine literaturkritische Betrachtung des "machismo" in der kubanisch-lateinamerikanischen Gegenwartsliteratur, nicht nur im Krimi, wäre sicherlich eine eigene Betrachtung wert. Aber das hilft uns jetzt bei der Lösung des Falles nicht unmittelbar weiter.
Doch kein Ritualmord
Conde beginnt jedenfalls zu ermitteln, und zur asiatischen Mythologie und Religion kommt auch noch der afro-kubanische Voodoo-Zauber dazu, bis sich diese Mordsgeschichte als eine höchst pekuniäre aufklärt.
Fazit: Spannend wie immer geschrieben. Gratulation an den Autor, Leonardo Padura, für einen knappen und höchst lesenswerten Einblick in das, was man hierzulande sehr bemüht eine "multikulturelle Gesellschaft" nennt.
Service
Leonardo Padura, "Der Schwanz der Schlange", aus dem kubanischen Spanisch übersetzt von Hans-Joachim Hartstein, Unionsverlag
Unionsverlag - Der Schwanz der Schlange