Salzburger Festspiele "zeitgenössisch"

Salzburg contemporary

Nach den "Zeitfluß"-Konzerten der 1990er Jahre, den "Salzburg-Passagen" der Ära Ruzicka und den "Kontinenten" des Konzertchefs Markus Hinterhäuser heißt die Abteilung "Neue Musik" bei Alexander Pereira "Salzburg contemporary".

RSO spielt Lutoslawski

In elf Konzerten präsentieren die Salzburger Festspiele Werke von Witold Lutosławski, Heinz Holliger und Bernd Alois Zimmermann. Zimmermann ist darüber hinaus mit seiner Oper Die Soldaten vertreten. Ab 2013 wird jeweils jener Komponist im Mittelpunkt stehen, der von den Festspielen mit einem Opernauftrag betraut worden ist. Im nächsten Jahr wird es György Kurtág sein, der - dem Vernehmen nach - an einer Oper nach Becketts Endspiel arbeitet.

Das erste Konzert der Reihe "Salzburg contemporary", das allen drei Komponistenpersönlichkeiten gewidmet ist, bestritt das Radio-Symphonieorchester Wien am letzten Juliwochenende in der Kollegienkirche. Am Pult stand der Schweizer Heinz Holliger, der auch in Ausübung seiner beiden anderen Talente, nämlich als Oboist sowie als Komponist zu erleben war: Gemeinsam mit seiner Frau, der Harfenistin Ursula Holliger, interpretierte er das Doppelkonzert für Oboe, Harfe und Streichorchester von Witold Lutosławski.

Klingen oder nicht mehr klingen?

Darauf folgte Holligers Atembogen für Orchester, ein Werk, das der Komponist 1975 mit dem Basler Kammerorchester uraufgeführt und dessen Gründerehepaar Maja und Paul Sacher gewidmet hatte. Holliger beschreibt es als "Musik entlang verwischter Spuren. Musik im Bereich zwischen "noch klingen" und "nicht mehr klingen". Leisheit und Stille nicht als Idyll, sondern als Folge und Endpunkt schwindender Klangenergien."

In der zweiten Hälfte des Konzerts spielte Håkan Hardenberger Bernd Alois Zimmermanns einsätziges Trompetenkonzert "Nobody knows de trouble I see", inspiriert von dem berühmten Negro Spiritual "Nobody knows the trouble I see". Und als Finale des opulenten Abends spielte Anita Leuzinger mit dem RSO Wien das Konzert für Violoncello und Orchester von Witold Lutoslawski.

Elina Garanca singt Volkslieder

Der junge spanische Dirigent Pablo Heras-Casado mit großer Affinität zur Neuen Musik ist nicht nur Festspiel-Debütant, er dirigiert auch zum ersten Mal das Klangforum Wien. Das Programm enthält Instrumental-Miniaturen von Lutoslawski und Dallapiccola sowie Folk Songs für Mezzosopran und sieben Instrumente, die Luciano Berio 1964 für seine Frau, die legendäre amerikanische Sopranistin Cathy Berberian, geschrieben hat: eine Anthologie von elf Volksliedern verschiedenen Ursprungs (aus den Vereinigten Staaten, Armenien, der Provence, Sizilien, Sardinien etc.), die Berio auf alten Schallplatten und in gedruckten Anthologien entdeckt hat oder die ihm Freunde vorgesungen haben. In Elina Garanca hat Cathy Berberian eine würdige Nachfolgerin gefunden.

Hölderlin-Gedichte in der Kollegienkirche

Einem Hauptwerk Heinz Holligers ist "Salzburg contemporary 4" gewidmet. Gemeinsam mit dem Ensemble Contrechamps, dem Lettischen Rundfunkchor und dem Flötisten Felix Renggli führt Holliger in der Kollegienkirche seinen Scardanelli-Zyklus auf. Darin verarbeitet der Komponist die letzten Gedichte Friedrich Hölderlins für unterschiedliche Besetzungen in einem Zyklus von zweieinhalb Stunden Dauer. 1995 hat Heinz Holliger für dieses Werk den Premio Abbiati der Biennale di Venezia erhalten. Ebenfalls in der Kollegienkirche führt Johannes Kalitzke gemeinsam mit dem Klangforum Wien drei Werke von Bernd Alois Zimmermann auf - Stücke für Ballett, Film und Puppentheater.

Nicht im Spätabendprogramm, sondern in der Mozartmatinee vom 12. August zu hören ist schließlich die Uraufführung des Doppelkonzerts Janus von Heinz Holliger. Besetzt wie die vorangehende Sinfonia concertante von Mozart - mit Violine, Viola und Orchester -, dockt "Salzburg contemporary" hier auch an die klassische Vergangenheit an.

Text: Hannes Eichmann

Service

Salzburger Festspiele
Salzburger Festspiele - Salzburg Contemporary