Julia Fischers Beobachtungen

Affengesellschaft

Julia Fischer ist Professorin für Kognitive Ethnologie an der Universität Göttingen und am Deutschen Primatenzentrum. Eigentlich wollte Fischer Meeresbiologin werden, Affen waren aber dann doch interessanter als träge Robben.

"In einer Stadt voller Affen, bin ich der King", singt der deutsche Musiker Peter Fox über die Stadt Berlin in seinem Song "Stadtaffe". Mich laust der Affe, jemanden nachäffen, ein geleckter Affe, Klappe zu - Affe tot, und sich zum Affen machen. Nicht nur in Liedern oder alltäglichen Redewendungen sind unsere nächsten Verwandten integriert, der Vergleich Mensch-Affe weist eine lange Tradition auf.

Welcher Zusammenhang zwischen Sozialsystem, Intelligenz und Kommunikation bei Affen besteht, war die Frage, die die Verhaltensbiologin Julia Fischer bei ihrer Forschungsarbeit angetrieben hat.

"Den Affen" gibt es nicht

Die Protagonisten dieses Buches sind Berberaffen, Bärenpaviane und Guineapaviane, schreibt Fischer als ersten Satz ihres Buches und klärt auf: "den Affen" oder "den Pavian" gibt es nicht. Primaten existieren seit etwa 80 Millionen Jahren und lassen sich in drei Gruppen aufteilen: Feuchtnasenaffen, zu denen beispielsweise die madagassischen Lemuren gehören. Die zweite Gruppe sind die Tarsier, nachtaktive Primaten, die in den Regenwäldern von Südostasien leben. Und jene Affen, zu denen Gibbons und Menschenaffen, also Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse, Bonobo - und Mensch zählen.

Fischer hat viele Jahre an Berberaffen, den einzigen Makaken, die in Afrika leben, geforscht.

Erziehung auf Äffisch

Fischer beschreibt auch das allabendliche Drama beim Schlafenlegen: Das Affenbaby möchte bei der Mutter liegen und schreit so lange, bis diese nachgibt. Erst wenn sich nach der Paarungszeit der nächste Nachwuchs unterwegs ist, kann sich die Affenmama gegenüber dem Erstgeborenen durchsetzen.

Unsichere Teenager

Ähnlich wie kichernde Mädchengruppen im Teenager-Alter dürften auch junge Affendamen nicht ganz wissen, wie ihnen geschieht, wenn sie mit drei bis vier Jahren geschlechtsreif werden: "Sie nähern sich schnatternd mit Furchtgrinsen an, um bei der geringsten Bewegung des Männchens kreischend davon zu laufen. Irgendwann trauen sie sich dann doch und recken den Männchen ihre Hinterteile entgegen", beschreibt Fischer das Vorspiel bei der Paarung von Berberaffen.

Die weiblichen Berberaffen paaren sich im Übrigen mit fast allen Männchen der Gruppe. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Laute, die die Weibchen von sich geben: Zwischen Struktur der Rufe und dem Paarungserfolg bestehe eine Korrelation, so die Verhaltensbiologin. Die Rufe beeinflussen zum Beispiel wie sich die anderen Männchen in der Gruppe verhalten.

Der Boss bestimmt, wo's lang geht

Entgegen dem Bild der "drei Affen", bei dem sich ein Affe die Hände vor die Augen, einer über die Ohren und einer vor den Mund hält, senden Affen kommunikative Signale aus. Mantel-Paviane sind ein schönes Beispiel für die Kommunikation in Gruppen: Täglich müssen sie in der Früh entscheiden, in welche Richtung sie ihre Schlafplätze verlassen. Die Entscheidungsträger sind in der Regel die erwachsenen Männchen.

Angeregte Kommunikation

Auch die männlichen Bärenpaviane sind äußerst kommunikativ, erzählt Julia Fischer, die in Botswana viele Lautaufnahmen gemacht hat: Die Männchen tauschen mit ihren Rivalen sogenannte Displaysignale aus, um den Zustand des anderen abzuschätzen, bevor sie sich in den Kampf wagen. Je ähnlicher der Rang der Tiere war, desto eher haben sie angefangen zu kämpfen. Bei unterschiedlicher Stellung in der Gruppe wurde der Streit meistens mittels Signalen, also einem Schreiduell beigelegt.

Julia Fischer liefert mit "Affengesellschaft" einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand, berichtet von bekannten Experimenten und schildert lebendig ihren Alltag als Affenforscherin. Im Übrigen findet Sie den Affen im Menschen bemerkenswerter als den Menschen im Affen.

Service

Julia Fischer, "Affengesellschaft", Suhrkamp Verlag

Suhrkamp - Julia Fischer