Neues Buch von Stéphane Hessel
An die Empörten dieser Welt
Von dem mittlerweile 95-jährigen Stephane Hessel, dem - wie die "FAZ" jüngst schrieb - "Gewissen der westlichen Welt und Frankreichs Rebell der Stunde", dessen 2010 erschienenes Buch "Empört Euch" millionenfach verkauft wurde, kommt heute eine neue und im Orginal auf Deutsch entstandene Schrift in die Buchläden.
8. April 2017, 21:58
"An die Empörten dieser Welt - vom Protest zum Handeln" ist der Titel des 100 Seiten starken Bandes, der in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Essayisten und Philosophen Roland Merk entstanden ist und im Berliner Aufbauverlag erscheint - nur zwei Monate nach der deutschen Übersetzung von Stephane Hessels autobiografischem Essay, welcher den Titel trägt "Empörung - meine Bilanz". Beide Bücher sind der Versuch, die Architektur aus Prinzipien, Werten und Ethik herauszuarbeiten, die das Denken des in Berlin geborenen Franzosen geprägt haben.
Morgenjournal, 20.7.2012
Stephane Hessel betont, er sei kein Schriftsteller, immer habe man ihn aufgefordert zu schreiben. Dies gilt für seinen autobiografischen Essay "Empörung - meine Bilanz" und was das heute erscheinende Buch angeht, so handelt es sich um den Abdruck einer Rede Hessels in Zürich, um die Transkription der anschließenden Diskussion und mehrerer Gespräche, die Stephane Hessel mit dem Essayisten Roland Merk geführt hat. Ein Buch, das mit Hessels Appell endet: Verändere diese Welt, ändere Dein Leben! Beide Bücher sind eine Art Vermächtnis eines Zeugen des Jahrhunderts, nach Verdis Motto "Wenden wir uns der Vergangenheit zu, das wird ein Fortschritt sein".
"Man wird sehen, wie die Leser das empfinden", meint Hessel im Gespräch. "Ich kann nur hoffen, dass sie davon irgendwie bewegt werden, dass sie sich sagen, ja, auch ich kann lieben und bewundern, auch ich kann mich einsetzen. Da kommt dann wieder dieses sogenannte Mitgefühl heraus. Sie können durch das Lesen dieses Büchleins vielleicht empfinden, dass sie gewisse Leidenschaften mit mir teilen können."
Kampf für "De-mo-kra-tie!"
Eine Leidenschaft Stephane Hessels ist sein unerbittlicher Kampf für die Menschenrechte - als Überlebender der KZs, als einer, der Faschismus und Stalinismus gekannt hat und seinen unverbesserlichen Optimismus daraus bezieht, selbst miterlebt zu haben, wie durch lang anhaltenden Atem und Engagement Totalitarismen überwunden werden konnten.
"Das einzige, wofür wir kämpfen müssen in der Politik, ist De-mo-kra-tie!", so Hessel, "und das Gefühl, die Demokratie ist immer wieder ausgesetzt, wird nicht richtig betrieben, das ist für mich wahrscheinlich, was mich immer wieder dazu gebracht hat, mich politisch einzusetzen, um zu versuchen, gerade diese Werte der Demokratie, die damals gesammelt wurden 1948 in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, das hat mich immer wieder dazu getrieben, nicht aufzugeben die Möglichkeit, ein Europa aufzubauen, was ein wirklich demokratisches Europa sein soll und sein kann."
Der denkende Mensch
Sartre und Merleau Ponty, Karl Jaspers und Hannah Ahrendt, so sagt Hessel, hätten ihn zum denkenden Menschen erzogen. Dieser denkende Mensch, der Welt- und Wutbürger Hessel ist zutiefst empört darüber, dass die globale Welt der Ökonomie und die Finanzoligarchie Prinzipien wie Gerechtigkeit, für die er im Widerstand gegen den Faschismus gekämpft hat, mit Füßen tritt. Die Asylpolitik und der Umgang mit Migranten in unseren westlichen Ländern sind ihm seit jeher ein Graus, ebenso der Umgang Israels mit den Palästinensern - eine Position, für die er, der Sohn des jüdischen Schriftstellers Franz Hessel, in Frankreich von der jüdischen Gemeinde teils sehr heftig angefeindet wurde:
"Das macht mich traurig. Heute empfinde ich es als eine riesige Last auf das Gewissen aller Juden, auch der Juden der Diaspora, dass sie diesen unglücklichen Palästinensern, diesen fünf Millionen Menschen, die darunter leiden, dass sie immer wieder besetzt und kolonisiert worden sind, dass die Israelis nicht den Weg finden. Die Palästinenser gerade in Gaza so zu behandeln, wie es jetzt seit 45 Jahren der Fall ist, das ist etwas, was ich nicht akzeptieren kann."
Ein glücklicher Mensch
In beiden Büchern Herssels wird schließlich deutlich, wie wichtig für seinen Werdegang, sein Denken und sein Engagement die Poesie, die Kultur, die Begegnung mit großen Malern und Bildhauern und das Glück waren, das er bei allem Unglück, das sein Leben begleitet hat, erfahren durfte:
"Das Glück hab ich von meiner Mutter erlernt. Sie hat mir gesagt: Du musst glücklich sein, um andere glücklich zu machen. Und das ist eine Aufgabe, die man gern leistet, wenn man es kann. Ich habe das Gefühl, das Leben hat mich so wunderbar verwöhnt, ich empfinde mich als ein sehr verwöhnter Mensch."
Service
Stéphane Hessel, "An die Empörten dieser Welt - vom Protest zum Handeln", Aufbau Verlag