Das globale Geschäft mit dem Tod
Waffenhandel
Andrew Feinstein hatte eine ziemliche Wut. 1999 war er Abgeordneter im südafrikanischen Parlament. Damals gab Südafrika 11 Milliarden Dollar für Kampfflugzeuge aus, die das Land nicht brauchte, die das Militär nicht wollte und die sich Südafrika kaum leisten konnte.
8. April 2017, 21:58
Zitat
Zu einer Zeit, als Präsident Mbeki behauptete, dass das Geld für die Medikamente fehlte, die notwendig wären, um die fast sechs Millionen HIV-Infizierten und Aidskranken am Leben zu erhalten. Mehr als 355.000 Südafrikaner starben in den folgenden fünf Jahren, weil sie die lebensrettenden Mittel nicht bekamen. Die Waffen sind bis heute größtenteils kaum verwendet worden.
Im Rahmen einer Kommission, die das Waffengeschäft untersuchte, fand Andrew Feinstein heraus, dass von den Herstellern, der britischen Firma BAE (früher British Aerospace) und dem schwedischen Saab-Konzern 300 Millionen Dollar Schmiergelder an Funktionäre und Politiker gezahlt worden waren. Aus Protest legte Feinstein sein Mandat nieder und verließ das Land.
Korruption gang und gäbe
Feinstein begann, weitere Waffengeschäfte zu recherchieren. Dabei stellte er fest, dass Südafrika kein Einzelfall war, sondern dass die Waffengeschäfte weltweit nach diesem Muster ablaufen.
Zitat
Der Waffenhandel ist für mehr als 40 Prozent der Korruption im gesamten Welthandel verantwortlich. Allein schon die finanzielle Größenordnung der Verträge, die sehr kleine Zahl von Personen, die die Kaufentscheidung treffen, und der Deckmantel der nationalen Sicherheit begünstigen Korruption in großem Umfang. Fast alle Staaten beschließen Waffenkäufe mit enormen finanziellen Risiken, Käufe, die weder rentabel noch im eigentlichen Interesse ihrer Länder sind.
Jahrelang studierte Feinstein zahllose Gerichtsprotokolle, Zeitungsartikel und sämtliche Literatur zum "globalen Geschäft mit dem Tod", wie der Untertitel seines Buches lautet. Und wo immer es möglich war, traf er die Akteure. Das Ergebnis ist ein 847 Seiten starkes Buch mit akribischen Quellenangaben. Durch die vielen Details, die er erforscht hat, kann Feinstein Szenen sehr lebendig erzählen. Streckenweise hat man das Gefühl, das Drehbuch eines Thrillers zu lesen.
6 Milliarden Pfund Bestechungsgeld
Man erfährt zum Beispiel, wofür die 6 Milliarden Pfund Bestechungsgelder verwendet wurden, die dafür gesorgt haben, dass Saudi-Arabien eine der teuersten Waffenbestelllisten der Geschichte nicht an die USA sondern an Großbritannien übergeben hat.
Zitat
Während sich der Prinz auf Kosten von BAE mit glamourösen Frauen vergnügte, stellte er sicher, dass seine Familie nichts von alledem erfuhr. Die Familienangehörigen erhielten ebenfalls Geschenke von BAE, meistens Autos, darunter ein 30.000 Pfund teurer Mercedes für seine Tochter, ein türkisblauer Rolls Royce für seine Frau Nura, und sich selbst ließ er einen 175.000 Pfund teuren Aston Martin Le Mans überschreiben. Die Autos wurden regelmäßig zwischen Saudi-Arabien und Los Angeles mit einer privat gecharterten Frachtmaschine hin- und hergeflogen. Was ein solcher Transport kostet, ist aus dem Jahr 1995 belegt, wo für 300.000 Dollar eine Frachtmaschine gemietet wurde, die Prinz Turkis Autos sowie Einkäufe aus L. A. nach Saudi-Arabien flog. Als BAE die Schwarzgeldkasse im Jahr 2002 endlich schloss, hatte die Firma Rechnungen bezahlt, die sich monatlich zuweilen auf mehr als eine Million Pfund beliefen.
Regierungsposten für Waffenproduzenten
Eindrucksvoll beschreibt Feinstein, wie das Wirken skrupelloser Waffenhändler die zahlreichen grausamen Konflikte in Afrika befeuert. Zum Beispiel wie der "als Händler des Todes" bekannte Russe Viktor But dem Diktator Charles Taylor die gewünschten Waffen lieferte.
Feinstein unterscheidet nicht zwischen legalem und illegalem Waffenhandel und so erfährt man ebenso, wie die US-Rüstungsindustrie versucht, ihre Leute auf Regierungsposten zu hieven. Besonders gut gelang dies beim Amtsantritt von George W. Bush.
Zitat
2001 wurden allein sechs leitende Angestellte von Lockheed Martin mit wichtigen Ämtern in Bushs Regierung betraut - am Ende des Jahres hatte das Pentagon dem Unternehmen einen der lukrativsten Militärverträge in der Geschichte der USA zugeschanzt.
Begegnung mit Mensdorff-Pouilly
Auch das Wirken eines Österreichers wird ausführlich dargestellt. Feinstein hat ihn in Wien interviewt:
Zitat
Graf Alfons Mensdorff-Pouilly - oder "Ali", wie er von seinen Freunden genannt wird - ist größer und schlanker als die Bilder in den Medien vermuten lassen. In seiner grünen Trachtenjacke und einer etwas gewagten rosa Krawatte verströmt er in der Tat etwas Aristokratisches. Er lächelt charmant, als wir uns in den Lederfauteuils niederlassen.
Der Graf erzählt Feinstein Anekdoten von seinen Gefängnisaufenthalten in Österreich und Großbritannien und dass er jederzeit mit jedem maßgeblichen Politiker in Österreich, Ungarn und Tschechien sprechen könne. Feinstein will mehr darüber erfahren, was es mit den 19 Millionen Pfund auf sich habe, die BAE an Mensdorff-Pouilly überwiesen hat. Man nimmt an, dass sie verwendet wurden, um diverse Waffengeschäfte in Tschechien und Ungarn anzubahnen.
Zitat
Es fanden erhebliche Bar-Abhebungen statt, oft innerhalb von Tagen und Wochen nach wichtigen Entscheidungen über die Beschaffung von Rüstungsgütern.
Laut Mensdorff-Pouilly waren die 19 Millionen Pfund das Honorar für "Marketingberichte".
Zitat
Nach dem mehrstündigen Gespräch, in dem der Graf alle Beschuldigungen weit von sich wies, fragte ich ihn, wieso es notwendig war, seine festen Honorarzahlungen über ein undurchschaubar verzweigtes Netz von Unternehmen auf den britischen Jungferninseln, Liechtenstein, der Schweiz und anderen Ländern laufen zu lassen. Er zuckte mit den Schultern: "Ich weiß es nicht. Ich bekomme mein Geld in Österreich und manchmal, aus persönlichen Gründen, über die Schweiz."
Service
Andrew Feinstein, "Waffenhandel - das globale Geschäft mit dem Tod", aus dem Englischen übersetzt von Stephan Gebauer, Hoffmann & Campe
Hoffmann & Campe - Waffenhandel