Konservativer Wirtschaftsroman von Ayn Rand

Der Streik

Ayn Rand - langsam wird diese die USA polarisierende Romanautorin und Philosophin auch in Europa bekannt. 25 Millionen Bücher hat die 1982 verstorbene wichtigste Vertreterin des "radical capitalism" bisher verkauft und ihr 1957 erstmals erschienener Roman "Atlas Shrugged" ist immer noch ein Bestseller und steht wohl in den Bücherschränken der Tea-Party-Anhänger.

Unter dem Titel "Der Streik" ist der Roman nun in einer neuen deutschen Übersetzung erschienen, beworben mit einem Lob von Rands Schüler Alan Greenspan, des Ökonomen Ludwig von Mises und der Schauspielerin Angelina Jolie, die seit der Lektüre ihr Leben und die Dinge, die ihr wichtig sind, anders bewertet.

Im "Streik" wird narrativ philosophiert, das heißt, die durch das Verhalten der Protagonisten zugespitzte und kommentierte Handlung verweist auf grundsätzliche Probleme und bietet allgemeine Lösungen an. Das Buch liest sich über weite Strecken spannend, man weiß wohl bald, dass die Guten für die freie und faire Konkurrenz sind und die Bösen für den Staatsinterventionismus, aber man weiß lange nicht, worauf die Handlung hinzielt.

Pioniergeist vs. Schwächlinge

Die Spuren des Kalten Krieges sind unübersehbar, die USA sind isoliert in einer Welt der "Volksstaaten", deren Wirtschaft am Zusammenbruch ist und die ihre Völker mit Phrasen über Solidarität und Gleichheit bei guter Laune halten und ansonsten von der Enteignung amerikanischer Betriebe leben. Der Virus droht überzuspringen und die USA stehen an einem Wendepunkt: Noch gibt es in der wirtschaftlichen Elite den alten industriellen Pioniergeist, aber gleichzeitig gibt es Schwächlinge und Verräter, die im Zusammenspiel mit den Gewerkschaften und korrupten Bürokraten und Politikern an die Stelle der Konkurrenz eine staatliche Wirtschaftsregelung setzen wollen - im Namen des Gemeinwohls und des Kampfes gegen den asozialen und destruktiven Wettkampf.

Zentralfigur des Romans ist Dagny Taggart, eine der Erbinnen der größten Eisenbahnlinie des Landes. Zusammen mit dem Erfinder eines billigen, haltbaren und leichten Stahles rettet sie das von ihrem Bruder beinahe ruinierte Unternehmen. Sie und der Erfinder Henri - das sind zwei industrielle Pioniere und kompromisslose Außenseiter -, nietzscheanische Übermenschen, der glückbringenden Moralität der äußersten Anstrengung ergeben, und gleichzeitig letzte Vertreter der protestantischen Arbeitsethik:

Leistungselite tritt in Streik

Solche Ausnahmemenschen bedrohen - so die willfährige Presse - durch ihre Tatkraft und Kreativität die Gleichheit und Solidarität der Gesamtgesellschaft. Und so wird an der Steuerschraube im Namen der Verteilungsgerechtigkeit kräftig gedreht werden, die beiden werden Schritt für Schritt enteignet, und eine unkoordinierte Planwirtschaft wird errichtet, deren demokratische Legitimation darin besteht, dass es schließlich mehr Arbeitnehmer als Arbeitgeber gibt. So lautet das neue Kredo:

Und so, im Zeichen der Liebe, bricht die amerikanische Wirtschaft allmählich zusammen. Aber gleichzeitig geschieht etwas Merkwürdiges: die tüchtigsten Unternehmer und Ingenieure verschwinden ganz einfach, die Leistungselite streikt, daher der Titel, wie die Proles im alten Rom ist sie ausgezogen und hat sich in den Bergen Colorados ein eigenes, kleines alternatives Amerika gebaut - im Namen der Vernunft, der Lebensbejahung und im Zeichen des geschmähten Dollars.

Der Bericht über Dagnys ersten Besuch in der Kolonie ist ein gelungener Einfall: Er kopiert die klassische Renaissance-Utopie des Thomas Morus von der perfekten Gesellschaft auf der Insel "Utopia" und dreht sie gleichzeitig um: Bei Morus wird das Gold verachtet und es herrscht Kollektiveigentum, hier basiert die Moral auf der als vernünftig verstandenen Würde garantierenden Zahlung für geleistete Arbeit.

Apell ans selbstständige Denken

Die Botschaft der Ayn Rand ist weiter: Freiheit ist unser wesentlichstes Gut, Egoismus ist vernünftig und das wissen jene "Plünderer", die uns am Leben hindern. Daher suchen sie über die Schiene der Moral unsere Zustimmung zu ihren einschränkenden Praktiken zu erlangen, aber diese Moral basiert - da ist Rand wieder nietzscheanisch - auf einer Konspiration der Schwachen und Korrupten. Und diesem Versuch, der Schwachen die Starken mit Schuldgefühlen zu schwächen, setzt sie einen kräftigen Apell ans selbstständige Denken entgegen. Vernunft kann uns helfen, unser Einzigartiges zu entdecken und ein arbeitsames und dennoch unentfremdetes Leben zu führen.

Dort, wo narrativ philosophiert wird, fällt der Widerspruch schwer. Die Autorin bestimmt mit ihren Beispielen den Rahmen der Debatte und manipuliert damit die Leser. Hier gibt es nur dynamische Leistungsträger oder Schwächlinge, die miteinander konspirieren und im Namen von Solidarität und Gleichheit auch vor Mord und Folter nicht zurückschrecken, doch wo sind jene, denen die "Wahl" unmöglich ist? Dennoch: Als Dokument gelesen, werden die in den USA laufenden Debatten um Steuer und Krankenversicherung durch Ayn Rands "Streik" um einiges verständlicher. Das ist ein Buch für die, die "nein" sagen - zum Sozialstaat, aber auch zum Finanzkapitalismus.

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Ayn Rand, "Der Streik", aus dem Englischen übersetzt von Claudia Amor, Alice Jakubeit und Leila Kais, Verlag Kai. M. John

Verlag Kai John
Der Streik

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