Die letzten Tage der Menschlichkeit
Heute hat die Komödie am Herrenseetheater Litschau Premiere. Karl Ferdinand Kratzl führt in der neu geschaffenen Figur eines Conferenciers durch Szenen aus "Die letzten Tage der Menschheit". Mit dieser Inszenierung verabschiedet sich der Regisseur und Co-Autor Zeno Stanek vom Herrenseetheater.
8. April 2017, 21:58
Die Realsatire, ein von Karl Kraus maßgeblich geprägtes Genre, findet auch heute noch breite Anwendung. Der Alltag hält ja genug Absurditäten und unfreiwillige Komik bereit, die ohne weiteres bühnentauglich sind. Und so mancher Schrecken lässt sich nur mit viel Humor verarbeiten.
Mit den "Letzten Tagen der Menschheit" bildete Kraus den Querschnitt einer durch und durch kriegslüsternen, nationalistischen und am Abgrund stehenden Gesellschaft ab. Die Akteure von damals und heute unterscheiden sich nur in Nuancen: Waren es im Ersten Weltkrieg Offiziere, Sensationsjournalisten oder ein seniler Kaiser, so sind es heute konsumorientierte Egoisten, kaltblütige Beamtinnen oder PR-geile Politiker.
Gut vorbereitet
Zeno Stanek und Christian Qualtinger haben sich für ihre Sommertheaterproduktion im Herrensee-Theater die Grundidee des Karl-Kraus-Klassikers angeeignet: in rascher Szenenfolge eine ganze Reihe an Akteuren der Gesellschaft dar- und bloßzustellen.
Übernehmen wollten die beiden Autoren freilich auch den Kraus'schen Humor und seine Bösartigkeit. Christian Qualtinger hat einen mehrfachen Bezug zu den "Letzten Tagen der Menschheit": So hat sein berühmter Vater mehrmals Kurzfassungen des Stücks aufgenommen. Und Christian Qualtinger selbst hat sich vor Jahren eine ungekürzte Aufnahme des Werks angehört, die der ORF in den 1970er-Jahren produziert hat: 22 CDs füllen die über 200 lose zusammenhängenden Szenen, die Qualtinger in Portionen konsumiert hat - eine Erfahrung, die den Autor, Maler und Sänger nachhaltig beeindruckt hat.
Letzte Tage der "Menschlichkeit"
Während bei Karl Kraus das menschliche Treiben kurzerhand in die Apokalypse mündet, die Menschheit also ausgelöscht wird, geht die aktuelle Adaption nicht ganz so weit: Hier geht es eben um die letzten Tage der "Menschlichkeit".
Um sich inhaltlich abzusichern, hat Zeno Stanek auch mit vier NGOs, darunter Amnesty International und ATTAC, zusammengearbeitet. Den moralischen Zeigefinger wolle man aber nicht heben, betont der Intendant und Regisseur.
Publikumsnähe und Umfragen
Im Verlauf des Stücks steuert die Menschheit, wenn schon nicht ihrem Ende, so doch einer bitteren Selbsterkenntnis entgegen. Als Bindeglied zwischen den zahlreichen Szenen haben sich die Autoren die Rolle des Conferenciers ausgedacht, dargestellt von Karl Ferdinand Kratzl, der Szenen ankündigt oder mit dem Publikum kleine Umfragen macht.
30 Schauspieler sind in der Produktion zu erleben, über 20 davon sind Laiendarsteller aus der Region. Gespielt wird auf einer Bühne, die wie ein Laufsteg aufgebaut ist und das Publikum nahe ans Bühnengeschehen bringt. Wie nahe dem Publikum das Stück am Ende tatsächlich geht, wird sich bei der heutigen Premiere zeigen.