Österreich fehlt ein Gesamtverkehrsplan
Fortbewegung ist ein Thema, über das sich leidenschaftlich streiten lässt - zuletzt beispielsweise über das Parkpickerl in Wien. Für den Transportwirtschaftsexperten Sebastian Kummer von der Wirtschaftsuniversität Wien nur ein Beispiel, warum Österreich dringend einen Verkehrsplan braucht, wie ihn die Schweiz schon längst hat.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 6.8.2012
Tanja Geleckyj
"Führung gefordert"
Die Schweiz habe zwanzig Jahre gebraucht, um den öffentlichen Verkehr dahin zu bringen, wo er heute ist, sagt Sebastian Kummer vom Institut für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniveristät Wien. Die österreichischen Politiker würden aber in kleineren Zyklen denken und sich zu sehr auf Projekte konzentrieren, wie etwa den Tunnelbau von Koralm, Brenner und Semmering.
Ein Gesamtkonzept für Österreich scheitere an der Führung, so Kummer: "Eigentlich müsste die Bundesregierung das Zepter in die Hand nehmen. Die Verkehrsministerin müsste sich hinstellen, auf den Tisch hauen und sagen, wir wollen einen Masterplan für Verkehr entwickeln, mit den Bundesländern natürlich, das geht politisch auch nicht anders. Hier wäre Führung gefordert."
Vorbild Schweiz
Als das große Vorbild für Österreich sieht Kummer die Schweiz. Dort habe man mit der Einführung eines Jahrestickets für die öffentlichen Verkehrsmittel einen Meilenstein gesetzt: "Dann stellt sich auch nicht mehr die Frage, soll ich mit dem eigenen Auto nach Wien oder nach Graz oder nach Linz oder nach Salzburg reinfahren, sondern dann ist jeder Kilometer, den ich nicht mit dem Auto fahre, ein Kilometer, wo ich spare."
Besonders die Pendler würden die Verkehrsplaner vor große Herausforderungen stellen, sagt Kummer. Gerade im Umland der Ballungsräume bräuchte es attraktivere Sammelpunkte, um die Menschen zum Umsteigen zu bewegen. Die Park-and-Ride-Anlagen in Wien etwa seien zu nah an der Stadt und die meisten Autofahrer würden deshalb gleich mit dem Auto in die Stadt fahren.
"Knowhow vorhanden"
Eine systematische Lenkung mit Hilfe von Verkehrstelematik wäre ein weiterer Schritt, die Verkehrsströme zu lenken, so Kummer: "Man könnte den Menschen dann gezielt sagen, fahr doch zu dem Bahnhof, da ist ein Anschlusszug, da brauchst du dich nicht in den Stau stellen, sondern fahr doch auf der neu ausgebauten Westbahnstrecke schnell nach Wien direkt rein und nimm dann die U-Bahn zu deinem Arbeitsplatz." Es mangele einfach an ganz großen Konzepten in Österreich, sagt Verkehrsexperte Kummer. Das Knowhow in Österreich sei da, man müsse es nur nutzen.
Aus dem Verkehrsministerium heißt es dazu, es gebe natürlich eine verkehrsträgerübergreifende Planung in der Verkehrspolitik. Zur Idee, ein österreichweites Öffi-Ticket einzuführen, heißt es allerdings: Man habe den Bedarf eines solchen Angebots evaluiert und die Zahl der Interessenten wäre derzeit zu gering. Dafür will man den Schienenverkehr rund um die Ballungsräume weiter ausbauen. Enorme Zuwachsraten habe es deshalb bereits bei der S-Bahn in Salzburg gegeben.
Eines soll aber bleiben wie es ist: Egal ob Citymaut, Umweltzonen oder Parkraumbewirtschaftung - die Kompetenz für diese Entscheidungen soll weiter bei den Bundesländern bleiben.