Historisches Machtvakuum Sinai

Nach den Angriffen auf ägyptische Grenzsoldaten und Polizisten auf der Sinai-Halbinsel hat Israel heute zugestimmt, dass Ägypten auch Kampfhubschrauber auf dem Sinai einsetzen kann. Doch der Grund dafür, dass sich Terroristen hierher zurückziehen konnten, liegt mehr als drei Jahrzehnte in der Vergangenheit

Mittagsjournal, 10.8.2012

Entmilitarisierung durch Friedensvertrag

Es hat sich eigentlich um eine höchst erfreuliche Sache gehandelt, als US-Präsident Jimmy Carter am 17. September 1978 in Camp David verkünden kann, dass Israel und Ägypten einen Friedensvertrag schließen werden. Dieser Friedensvertag hat nämlich nicht nur vorgesehen, dass sich Israel von der Sinai-Halbinsel zurückzieht. Auch Ägypten darf auf diesem Gebiet nur sehr eingeschränkt militärische Positionen einnehmen. In diesem Friedensvertrag wurde festgelegt, dass der Sinai mehr oder weniger entmilitarisiert wurde, sagt Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Nur in der westlichsten Zone am Suezkanal seien - nicht sehr große - ägyptische Truppenverbände erlaubt worden.

Beduinenstämme und Schmuggler

Stephan Roll warnt auch davor zu glauben, dass die jetzigen Anschläge nur von radikalen Islamisten durchgeführt würden. Solche Gruppierungen mag es zwar auf dem Sinai auch geben, aber das Sicherheitsproblem erkläre sich vor allem durch das Stammesgefüge der Beduinen auf dem Sinai und das umfangreiche Schmugglerwesen.

Zusammenbruch nach Mubarak-Ende

Ein weiterer Grund warum auf diesem Gebiet ein jetzt zum Teil gesetzloser Zustand herrscht, ist, dass das Militär bis vor kurzem hier gar nicht zuständig war. Denn unter Staatschef Mubarak sei für den Sinai der Geheimdienst und der innere Sicherheitsapparat zuständig gewesen. "Das erklärt auch, warum das jetzige Sicherheitsvakuum so eskalieren konnte, weil durch den Zusammenbruch des Mubarak-Regimes dieser gesamte Sicherheitsapparat in Ägypten praktisch zusammengebrochen ist."

Verhandlungen mit Israel?

Es wäre jetzt auch wichtig, einen wirtschaftlichen Aufbau der Region voranzutreiben. Das habe die regierende Moslembruderschaft auch erkannt, so Stephan Roll. Und Israel wäre gut beraten, wenn es den Ägyptern entgegenkommen und Verhandlungen über den endgültigen Status des Sinai zulassen würde, so Roll. Bisher sei Ägypten nicht motiviert gewesen in den Sinai zu investieren, weil er nicht souveränes Staatsgebiet sei. Ob sich Israel zu diesem Schritt durchringen kann, ist aber noch nicht absehbar, vor allem so lange nicht klar ist, wie die Machtverhältnisse in Ägypten tatsächlich sind - und wie sehr radikalislamistische Elemente weiter gegen Israel agitieren.

Übersicht

  • Naher Osten