Kampf um Stahlwerk in Apulien

Der Streit um die Stahlfabrik ILVA in Apulien wird zum Exempel für die katastrophalen Folgen von kurzsichtiger Industriepolitik, fehlendem Umweltschutz und Korruption. Dem größten nationalen Stahlwerk droht die Schließung wegen Verseuchung der Umwelt. Heute, mitten in den Ferien, reisen zwei Minister der Regierung Monti nach Taranto, um ein wirtschaftliches Desaster abzuwenden.

Morgenjournal, 17.8.2012

Vergiftete Umwelt

Es geht um mindestens 12.000 Arbeitsplätze in einer Region, die ohnehin schwer von der Krise betroffen ist. Die Hafenstadt Taranto lebt von dem Stahlwerk, dutzende Zulieferer und Subunternehmen beschäftigen weitere tausende. Und es geht um dem Preis, der derzeit dafür gezahlt wird: um Feinstaub und Schwermetalle in der Luft, um Gift in Böden und Meer und um nachweislich erhöhte Krebsraten.

Tausende Arbeitsplätze gefährdet

Eine Richterin in Taranto hat die Verseuchung durch das Stahlwerk als kriminell eingestuft, die Stilllegung zentraler Teile angeordnet. Nun ist Feuer am Dach. "Die Politik ist zuständig, nämlich ich", sagt Umweltminister Corrado Clini, "und nicht die Gerichte. Wir arbeiten seit längerem am Fall ILVA." Seine Mission heute hat ein klares Ziel. Corrado Clini wird gemeinsam mit dem Minister für wirtschaftliche Entwicklung bei dem zuständigen Gericht in Taranto vorsprechen. Um jeden Preis müsse ein Stopp der Stahlproduktion verhindert werden, erklärt der Umweltminister. Die Sorge der Regierung ist verständlich. An dem Stahlwerk Ilva hängen nicht nur in Taranto weitere tausende Arbeitsplätze bei Zulieferern und Subunternehmen, auch in Norditalien hat das Unternehmen Ableger, die gefährdet wären.

Sanierung statt Schließung

Die Angst um die Arbeitsplätze bewegt auch die Gewerkschaften. Die streitbare Chefin der linken Gewerkschaft CGL warnt vor einer Schließung: "Man saniert kein Stahlwerk, indem man es stilllegt, das wäre sein Ende", ruft sie bei einer Kundgebung. "Wir wollen, dass modernisiert wird während die Anlagen laufen. Umwelt und Arbeit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das Unternehmen muss aufhören zu sagen, es kann sich das Geforderte nicht leisten, und die Regierung muss garantieren, dass die nötigen Investitionen gemacht werden."

Jahrzehntelange Pause?

Viele Experten halten den Stahlriesen für nicht sanierbar. Für den Hämatologen Patrizio Mazza aus Taranto, der seit Jahren erhöhte Krebsraten anprangert, ist jedes investierte Geld verschwendet: "Wenn Sie etwas Verseuchtes weiter verseuchen, und auch wenn vergleichsweise weniger verseucht wird - die Verseuchung ist etwas, was sich akkumuliert. Man muss der Natur Zeit geben, sich zu erholen. Rund um die Ilva sind das mindestens zehn bis 15 Jahre."

Verworrene Gesetzeslage

Als das Stahlwerk in Taranto in den 1960-er Jahren entstand, brachte es der strukturschwachen süditalienischen Region Arbeit und Aufschwung. 1995 wurde das Werk saniert. Die Besitzer sind berüchtigt für ihren Widerstand gegen Umweltauflagen. Die Politik der vergangenen Jahre hat sich das Wegschauen vielfach abkaufen lassen. Ein verworrene Gesetzeslage tat ihr übriges - so verworren, dass die Weltbank Italien nach der Mongolei und Albanien reiht, wenn es um die Transparenz für Investoren geht.