China: Todesurteil sorgt für Aufregung
In China hat die Frau des entmachteten KP-Granden Bo Xilai die Todesstrafe erhalten; allerdings mit Vollstreckungsaufschub. Das heißt, das Urteil wird wahrscheinlich in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Die Affäre um Gu Kailai, die schuldig gesprochen wurde, einen britischen Geschäftsmann ermordet zu haben, wurde zum größten Skandal in Chinas KP seit vielen Jahren.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 20.8.2012
ORF-Korrespondent Jörg Winter berichtet aus Peking.
Hintergründe bleiben Spekulation
Noch schweigen die meisten staatlichen Medien zum Todesurteil von Gu Kailai. Sie berichten lieber lang und breit über die Streitereien mit Japan über eine von beiden Seiten beanspruchte Inselkette im Ostchinesischen Meer. Doch auf den Blogs im Internet hat sich die Nachricht vom Urteil gegen Gu Kailai längst verbreitet.
Lässt sich die einst prominente Anwältin in den kommenden zwei Jahren im Gefängnis nichts zuschulden kommen, dann wird ihr die Hinrichtung wohl erspart bleiben. Gu Kailai hat die Tat gestanden, doch bleiben die Hintergründe der Affäre im Dunkeln. Denn es geht längst nicht nur um die Frage, ob die Frau eines prominenten KP-Funktionärs einen britischen Geschäftsmann ermordet hat oder nicht.
Bo und Gu Opfer einer politischen Intrige?
Vielmehr geht es um Intrigen und Machtkämpfe, auch wenn der Gerichtsprozess auf Geheiß der Führer in Peking als reines Mordverfahren geführt wurde. Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der massiven Korruption gegen Gu und ihren Ehemann Bo Xilai werden unter den Tisch gekehrt; dass Bo Xilai, der Liebling der Parteilinken, als KP-Chef von Chongqing Gegner brutal ausschalten ließ; dass er und seine Frau offenbar über ein weitverzweigtes Netzwerk an Firmen verfügen; dass Bo seine Frau decken wollte; über all das wird in Chinas Medien auf Geheiß der Partei geschwiegen.
Doch wollen Gerüchte nicht verstummen, dass das Ehepaar auch Opfer einer politischen Intrige geworden ist. So hört man etwa, höchste Kreise hätten den unaufhaltbar scheinenden Aufstieg von Bo Xilai stoppen wollen, weil der seine Karriere zu aggressiv vorangetrieben hat.
Heikle Zeit für KP-Führung
Bo wurde als Parteichef der Millionenmetropole Chongqing jüngst entmachtet und ist seither verschwunden. Sein Sturz wurde zum größten politischen Skandal seit Jahren. Denn viele gingen davon aus, dass der Sohn eines alten KP-Revolutionärs, ein sogenannter Prinzling aus der Parteiaristokratie, beste Chancen auf einen absoluten Top-Job in Chinas nächster Führungsriege hätte.
Mit dem Parteitag im Herbst wird eine jüngere Generation die Macht im Land langsam übernehmen. Gerade in dieser heiklen Zeit kann man Vorwürfe von Korruption in den höchsten Parteirängen absolut nicht brauchen. Daraus ergibt sich der schwierigste Teil der ganzen Causa, nämlich Bo Xilai wegen Machtmissbrauchs abzustrafen ohne den Ruf der KP zu ramponieren.