China: Die KP-Spitze kämpft ums Geld

In einem international beachteten Prozess hat die chinesische Justiz Gu Kailai, die Frau des ehemailigen KP-Granden Bo Xilai, zum Tode verurteilt. Es häufen sich aber die Zeichen, dass der Prozess nicht so sehr ein reiner Strafprozess war, als viel mehr ein Symptom des Machtkampfs innerhalb der KP vor dem nächsten Parteitag. Es geht nicht um Ideologie, sondern um Kapital.

Mittagsjournal, 20.8.2012

Wolfgang Wittmann im Gespräch mit China-Korrespondent Jörg Winter.

Stichwort Geld

Bo Xilai und Gu Kailai sollen der Führung der Kommunistischen Partei allmählich zu gefährlich geworden sein. Gegen Bo Xilai versucht die Justiz wegen Amtsmissbrauchs vorzugehen. Gu Kailai ist zum Tode verurteilt worden, die Strafe könnte aber noch in eine lebenslange Haft umgewandelt werden. Der Strafprozess gegen Gu Kailai hätte westlichen Standards jedenfalls nicht genügt. So durfte sie sich ihren Anwalt nicht selbst aussuchen – keine Frage des Geldes, denn das Paar ist vermögend.

Geld ist das Stichwort. Es geht um Geld, Macht, politischen Einfluss und ums Geschäft und darüber wollte man in diesem Prozess nicht reden. Die Partei hat alles daran gesetzt, dass der Prozess ein reiner Mordprozess ist. Das riesige Firmennetzwerk von Gu Kailai und Bo Xilai wurde nicht erwähnt, ja nicht einmal der Name Bo Xilai fiel während des Verfahrens gegen seine Ehefrau.

Bo Xilai offenbar zu "links"

Bo Xilai ist nur noch einfaches Parteimitglied der KP. Über den Fall des "Prinzlings" und ehemaligen Chefs der Partei in Chongqing gibt es mehrere Theorien. Zunächst eine rein strafrechtliche. Immerhin soll Bo Xilai den von seiner Frau verübten Mord zu verdecken versucht und Ermittlungen dazu gestoppt haben.

Eine populäre Theorie, die vor allem von linken Gruppierungen innerhalb der KP immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist, dass es vor dem geplanten Parteitag im Herbst einen Machtkampf geben soll, zwischen rechten Gruppen mit engen Verbindungen zum "Big Business" und linken Gruppen, die mehr auf soziale Reformen drängen. Bo Xilai seinerseits ist mit einer nahezu maoistisch anmutenden Kampagne in seiner Heimatstadt Chongqing aufgefallen.

Die dritte Erklärung, warum Bo Xilai aus der politischen Landschaft entfernt wurde, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Verschiedene Gruppen innerhalb der KP würden regelrecht gegeneinander um die Macht rittern; und damit letztlich um den Zugang zu Geld, Kapitel und Unternehmen, die es zu kontrollieren gilt.

Microblogs informieren die städtische Bevölkerung

Die KP-Spitze steht jetzt allerdings vor dem Problem, wie sie mit Bo Xilai in der Öffentlichkeit umgehen soll. Denn wie kann sie einen hochrangigen, populären Parteiführer wegen Amtsmissbrauchs oder ähnlichem abstrafen, ohne den Ruf der Partei weiter zu ramponieren und ohne in der Öffentlichkeit dingfest zu machen, dass es massive Korruptionsprobleme – gerade auch in höchsten Parteikreisen – gibt. Andererseits sind schon so viele Gerüchte an die Öffentlichkeit geraten, dass man nicht einfach zur "Tagesordnung" übergehen und den Namen Bo Xilai totschweigen kann, zumindest nicht auf Dauer.

Wie viel die Bevölkerung vom Machtkampf in der KP weiß, muss differenziert beurteilt werden. In den großen Städten, vor allem auch an der Ostküste, wissen erstaunlich viele Menschen relativ gut Bescheid. Zwar berichtet die Staatsmedien nur das, was die Zensur will, aber die neuen Medien, allen voran die Microblogs, haben dazu beigetragen, dass die Menschen viel mehr wissen als früher. Gerade über den Fall Bo Xilai wird in den Microblogs viel berichtet. Die Zensur löscht zwar vieles wieder, aber man darf die Rolle der neuen Medien nicht unterschätzen.

Krise unwahrscheinlich

Die Gerüchte über interne Machtkämpfe zwischen links und rechts sowie Spekulationen über ein Ende des chinesischen Wirtschaftswachstums, legen Überlegungen zu einer Krise in China nahe. Doch auch wenn es in China viele Dinge gibt, die sich ändern müssen, gerade auch im Sozialsystem, glauben die meisten Wirtschaftsforscher glauben nicht, dass es in China in der nächsten Zukunft zu einer Krise kommen wird. Denn Chinas Wachstum ist trotz der Wirtschaftskrise noch robust.