Gedenken an Victor Gruen

Als "Vater der Shopping Mall" ging der 1903 in Wien geborene Victor Gruen in die Geschichte der Architektur und Stadtplanung ein. Bereits in den 1940er Jahren entwarf der emigrierte Jude Gruen in den USA das Konzept der "Shopping Towns". Erst Jahre später, nämlich 1954, baute er seine erste Shopping Mall in der amerikanischen Motor City Detroit.

An die 50 Shopping Malls, verstreut über das gesamte Gebiet der Vereinigten Staaten, hat Gruen entworfen und geplant. Weniger bekannt ist, dass Gruen auch ein Vordenker der autofreien Stadt war. Heute Abend zeigt das Architekturzentrum Wien den Dokumentarfilm "Der Gruen-Effekt", der Victor Gruens urbanistische Pionierleistungen würdigt.

Morgenjournal, 24. 8. 2012

"Vater der Shopping Mall", dieses Attribut sollte Victor Gruen Zeit seines Lebens nicht mehr loswerden. Mit seinen "Shopping Towns", wie die Shopping Malls ursprünglich hießen, entwarf der gebürtige Wiener ein Konzept, das prägend für die amerikanische Stadt, ja mehr noch für den "American way of life" wurde. Dabei war Gruen mit der Art und Weise, wie sich seine bahnbrechende Idee entwickelte, mehr als unzufrieden. Immobilienentwickler und- spekulanten, sagte Gruen rückblickend, hätten sein Konzept verwässert. Gruens Ziel war es gewesen, soziale Begegnungsstätten in der zersiedelten amerikanischen Suburbia zu schaffen. Doch in der Praxis verkamen seine "Shopping Towns" zu "Verkaufsmaschinen".

"Er hat Wien als Jude 1938 zwangsläufig verlassen und ist in die USA ausgewandert. Er hat immer davon gesprochen, dass er das Konzept der Wiener Innenstadt in die amerikanische Vorstadt bringen wollte. In seinen ersten Malls hatte er Kindergärten, Streichelzoos, Postämter und Theater geplant. Das Konzept der Shopping Towns basierte auf einer Mischung von sozialen Räumen und Konsumangeboten", sagt Katharina Weingartner, Co-Regisseurin des Dokumentarfilms "Der Gruen-Effekt".

Die Shopping Malls der neuen Welt haben sich nicht nach den alten europäischen Stadtzentren orientiert, wie von Victor Gruen geplant. Im Gegenteil. Der Spieß drehte sich um: Die europäischen Innenstädte wurden zu Open-Air-Shopping-Malls.

Entwurf für eine autofreie Innenstadt

"Man geht durch Wien und sieht Starbucks und H&M und man geht durch Berlin oder Amsterdam und sieht in der Innenstadt dieselben Geschäfte. Die Fußgängerzonen in den Innenstädten sind zu Open-Air-Malls geworden und unterscheiden sich kaum noch voneinander", sagt die Architekturhistorikerin Gudrun Hausegger.

Ende der 1960er Jahre kehrt der jüdische Emigrant Victor Gruen in seine Heimatstadt Wien zurück. Und: Er wendet sich neuen Projekten zu und wird insbesondere ein Vordenker der autofreien Stadt. Nach seinen Plänen entsteht 1970 die erste Wiener Fußgängerzone in der Kärntnerstraße, ein Projekt, das damals auf erbitterten Widerstand stieß.

"Er hat einen großangelegten Plan für Wien gemacht, in dem er vorgeschlagen hat, die gesamte Wiener Innenstadt zur autofreien Zone zu machen. Gruen war seiner Zeit voraus und recht radikal", sagt Katharina Weingartner. Gemeinsam mit Anette Baldauf arbeitet Katharina Weingartner im Augenblick an der Veröffentlichung von Victor Gruens Biografie, die im Dezember im Springer Verlag erscheinen wird.

Service

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Der Gruen Effekt
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