Pensionslücke bei Heimkindern

Tausende Heimkinder mussten laut Historikern auch Zwangsarbeit verrichten - für Firmen, für das Bundesheer und in der Landwirtschaft. Aber sie waren dabei nicht pensionsversichert. Und das wirkt sich bis heute auf ihre Pensionen aus. Bis heute hat die Politik kaum etwas gegen diese Benachteiligung unternommen.

Morgenjournal, 27.8.2012

Sozialversicherung umgangen

Berge von Bundesheerwäsche mussten gewaschen, gebügelt, gestopft werden - von Heimkindern beispielsweise in Wien und Tirol. In vermutlich allen Bundesländern wurden sie teils völlig ohne Bezahlung in der Landwirtschaft eingesetzt - und, nicht sozialversichert, oft noch als erwachsene Knechte. Und zuletzt wurde bekannt, dass in Tirol etwa Firmen wie Darbo, Eglo und Swarowski Heimkinder beschäftigt haben. Ihre kleinen, geschickten Finger dürften nicht das einzige Motiv gewesen sein, meint der Tiroler Historiker Horst Schreiber: "Es war für die Firmen sehr lukrativ, Heimkinder zu beschäftigen, um auf legale Art die Sozialversicherung zu umgehen."

"Schuften statt Lernen"

Laut dem Linzer Sozialhistoriker Michael John, der auch Mitglied der Wiener Wilhelminenberg-Kommission ist, war Zwangsarbeit bis 1973 erlaubt, laut Schreiber war sie bis in die 90er Jahre üblich, deklariert als Arbeitstherapie oder pädagogische Maßnahme - und ohne Sozial- und Pensionsversicherung für die 15- bis 18-Jährigen Betroffenen: "Also Schuften statt Lernen, das war dann das Ergebnis. Das ist natürlich mehr als eine Ungerechtigkeit, weil wenn man sehr oft um seine Bildung und Ausbildung betrogen worden ist und andererseits Hilfsarbeiten gemacht hat und nicht pensionsversichert war, dann ist das eine maßlose Ungerechtigkeit, weil andere Kinder, die nicht im Heim waren die haben ja diese Pensionsversicherungszeiten."

Keine Einzelfälle

Die Forderung und das Resümee von Sozialhistoriker Michael John: "Das war generell so, keine Einzelfälle und natürlich sollte man das reparieren und das ist Aufgabe der Politik und der Sozialversicherungsexperten." Und der Tiroler Historiker Schreiber sagt, wegen der Traumatisierungen im Kindesalter seien ja viele Betroffene in Invaliditats- bzw. Frühpension: "Durch das Schlagen, Demütigen, Missbrauchen sind viele im Arbeitsprozess relativ früh ausgeschieden. Das heißt wir haben eine große Gruppe, die haben jetzt als Pension ein paar hundert Euro. Für die ist jedes Versicherungsjahr natürlich sehr wertvoll."

Der Politik bekannt

Anders als der breiten Öffentlichkeit ist den zuständigen Politikern die gesamte Pensionsproblematik längst bekannt. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hat vor eineinhalb Jahren einen Brief an das Land Tirol geschrieben, der Ö1 vorliegt: Es sei unbestritten, dass bis in die 90er Jahre in Heimen als Arbeiter oder auch als Lehrlinge beschäftigte Fürsorgezöglinge nicht sozialversichert wurden. Es wäre nachträglich durch eine Gesetzesänderung auch eine beitragsfreie Anrechnung der Pensionsersatzzeiten möglich, so Hundstorfer. Aber er bitte um Verständnis, dass das in Sparzeiten nicht geht.