Manfred Koch über eine schwierige Disziplin

Faulheit

In seinem Buch "Faulheit" erzählt Manfred Koch viele Geschichten von Paradiesen und Schlaraffenland-Visionen, von besessenen Arbeitsverweigerern und tragischen Melancholikern. Er entwirft eine kleine Geschichte der Faulheit und geht auch ihrer Rolle als Zivilisationskritik nach.

In den Tag hinein leben

In einer Arbeitsgesellschaft wird Faulheit zur Utopie. Wie schön wäre es, einfach alles fallen zu lassen, einfach nur mehr nichts zu tun; sich gehen und hängen zu lassen, ohne Verantwortung und sorglos in den Tag hinein zu leben. Man könnte werden wie ein gemächliches Tier, eine Pflanze, wie die Natur selbst.

Doch wir Menschen sind verdammt, unser Brot im Schweiße des Angesichts zu essen, so heißt es schon in der biblischen Schöpfungsgeschichte. Mit der Vertreibung aus dem Paradies beginnt die Plackerei, und mit dieser Vertreibung lässt auch Manfred Koch seine kleine Kulturgeschichte der Faulheit beginnen.

Schlaraffenland

Die Erzählung von einer vorzeitlichen, besseren Epoche gehört zum festen Bestand der Menschheitsmythen. In der Antike schreibt Hesiod vom "Goldenen Zeitalter der Heroen", Vergil erdichtet ein Arkadien. Auch in den mittelalterlichen Geschichten vom Schlaraffenland kehrt das Motiv wieder. Doch jetzt verbindet sich die Utopie mit dem derben Scherz. Die Erzählung vom Schlaraffenland äußert den Wunsch nach Faulheit und fettem Leben und macht sich gleichzeitig über ihn lustig.

Profitdenken ändert alles

Lange Zeit über war die "Muße" ein recht positiv besetztes Konzept. Nicht-Arbeit war höher bewertet als Arbeit. Wer es sich leisten konnte, übte sich im Müßiggang. Diese lockere Haltung veränderte sich grundsätzlich mit dem Aufkommen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Sie setzt auf Profit und Steigerung der Erträge. Und weil das Erreichte jetzt niemals genug ist, wird Arbeit - das Symbol der Produktivität - zur neuen Moral.

Erst jetzt kann auch der moderne Begriff der Faulheit entstehen, demzufolge der irdische Müßiggang ein Laster ist. Manfred Koch spricht hier von einem "Großen Umerziehungsprozess": Interessant ist, dass Koch die ausgeprägte Arbeitsmoral nicht nur auf die sprichwörtliche "protestantische Ethik" zurückführt, sondern ihre Wurzeln schon viel früher in den mittelalterlichen katholischen Klöstern findet.

Freizeit und Arbeit vereint

Erst mit dieser "Ideologie des Fleißes" entsteht auch die Idee einer Freizeit, die nur als Erholung von der Arbeit gerechtfertigt ist. Freizeit und Arbeit sind zu einem untrennbaren Paar geworden, und Urlaub darf nur haben, wer sich vorher gehörig angestrengt hat.

Weil Faulheit so verfemt ist, kann sie aber auch zu einem Instrument der Gesellschaftskritik werden. Das Nichtstun als Waffe gegen die bloße Geschäftigkeit kennt nicht nur der antike Philosoph Diogenes, auch der Aufklärer Jacques Rousseau träumt von der Rückkehr zur Natur und der Kommunist Paul Lafargue fordert gar ein "Recht auf Faulheit". Rousseau schreibt:

Kein Paradies auf Erden

Doch wäre ein Leben in Faulheit das Paradies auf Erden? Natürlich nicht. Manfred Koch weist auf eine altbekannte "Dialektik der Faulheit" hin: zu konsequent genossen, ist sie nämlich kein Genuss mehr, sondern kippt um in Langeweile. Hierfür gibt Manfred Koch vor allem Beispiele aus der modernen Literatur, die - kaum überraschend - in Thomas Manns Roman "Der Zauberberg" münden.

Faulheit ist also keine Utopie, sie ist vielmehr eine schwierige Disziplin. Die Mußeratgeber und Entspannungsprogramme, die derzeit eine große Konjunktur haben, greifen allerdings viel zu kurz, meint Koch. Denn meist singen sie das Lob der Faulheit und laufen doch nur darauf hinaus, den gestressten Gutverdiener wieder fit für die Arbeitswelt zu machen. Mit Hinweis auf Immanuel Kants "Anthropologie" schlägt Manfred Koch etwas anderes vor, eine "Faulheits-Diätetik". Alles hängt nämlich am guten Maß.

Von Faulheit zu Langeweile

Ein gutes Buch über Faulheit dürfte selbst nicht faul sein. Genau das aber ist ein Problem von Kochs leichter Erzählung: Sie bleibt zu oberflächlich, zu vieles wird hier über einen Kamm geschoren. Vom Paradies bis zum Zauberberg kennen wir die meisten der Geschichten, mit denen Koch nicht wesentlich mehr anstellt, als sie erklärend zu wiederholen. Doch der Zusammenhang der Erzählungen ist beliebig und fadenscheinig.

Warum Kafkas Gregor Samsa auf Gontscharows Oblomow treffen muss, ist nicht klar, außer der Gemeinsamkeit, dass beide nicht aus dem Bett kommen. Tiefer geht die Analyse selten. Auch Kochs eigener Vorschlag zur gemäßigten Dosierung der Faulheit ist zwar vernünftig, aber überhaupt nicht aufregend. "Faulheit. Eine schwierige Disziplin" ist schlicht und ergreifend zu harmlos, und daher ergreift einen bei der Lektüre, trotz der Kürze, leider eine gewisse Langeweile.

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