Die ÖBB in der Nazizeit
Die ÖBB haben sich heuer erstmals genauer mit der ihrer Vergangenheit während der Nazi-Zeit befasst. Die Eisenbahn war ja ein wesentliches logistisches Element der Nazi-Herrschaft: als Transportmittel für die Wehrmacht wie für die Deportationen - auch aus dem Gebiet des heutigen Österreich. Nun wurde mit ORF 3 eine Fernseh-Dokumentation präsentiert.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 5.9.2012
Deportationswege nachgezeichnet
Der Aspangbahnhof in Wien war meist der Abfahrtort in die Vernichtungslager – für österreichische Juden, Sinti, Roma und andere Nazi-Opfer. Die Bahnkarten waren dabei selbst zu bezahlen. Entstanden ist der Film, der ÖBB-Lehrlinge auf ihrer Spurensuche durch die Vergangenheit begleitet, in Zusammenarbeit mit dem Historiker Oliver Rathkolb. Er erzählt: "Wir haben versucht, die Deportationswege nachzuzeichnen. Es gibt beispielsweise eine neue Studie zu Strasshof, einem eigentlich unbedeutenden Verschubbahnhof nördlich von Wien, der in der NS-Zeit einer der wichtigsten "Umschlagplätze" für Zwangsarbeiter war." Wobei eine umfassende wissenschaftliche Studie über die NS-Geschichte der Bahn bis heute fehlt. Im Film kommen dafür Zeitzeugen zu Wort. Ein Mann berichtet: "Ich kann mich nicht einmal genau erinnern, wie lang wir gefahren sind… und schrecklich war die Ankunft. Dieses "Raus, raus, schnell aus den Wagons!". Eine Frau erinnert sich: "Und dann haben sie so viele erschossen. Nicht dass sie glauben, dass sie nur von der SS erschossen wurden. Von unseren Leuten oft auch, weil sie für Hitler waren." Und dieser Mann hat noch das Ausmaß der Transporte vor Augen: "Da sind Transporte gekommen aus Polen, von der Früh bis zum Abend, in der Nacht sind die Züge gekommen."
Kritische Aufarbeitung erolgte nicht
Dabei konnte der Bahnbetrieb im Krieg nur durch Zwangsarbeiter gesichert werden, etwa nach Bombentreffern auf Bahnhöfen. Rathkolb führt aus: "Die Reichsbahn war ja auch in der Ostmark einer der wichtigsten Abnehmer von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen. Zuerst bei Bauten, später dann zur Beseitigung von Bombenschäden." Aufarbeitung nach dem Krieg gab es wenig, die sogenannte Entnazifizierung nur in Einzelfällen, erklärt der Historiker: "Die Spitzen wurden "gesäubert", aber schon im mittleren und unteren Management merkt man, dass es eine sehr starke Kontinuität gab. Eine wirkliche kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte erfolgte nicht. Das betrifft auch Themen wie Wiedergutmachung für Zwangsarbeiten." Im Jahr 2000 haben die ÖBB, so wie andere österreichische Unternehmen auch, in den Versöhnungfonds einbezahlt, umgerechnet 14,5 Millionen Euro.