Niederlande: Knappes Rennen

Endspurt im Wahlkampf in den Niederlanden. Deutlich zeichnet sich ein knappes Rennen um Platz eins zwischen den Rechtsliberalen von Ministerpräsident Mark Rutte und den Sozialdemokraten ab. Sie dürften mit ihrem Spitzenkandidaten Diederik Samsom den Shooting-Star dieser Wahlen hervorgebracht haben.

Morgenjournal, 10.9.2012

Diederik Samsoms steiler Aufstieg

Der Blick ins Wohnzimmer. Der Spitzenkandidat der niederländischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei, zeigt sich im Werbevideo als Familienmensch, als fürsorglicher Vater einer spastischen Tochter, als einer, der schon als Greenpeace-Aktivist für Werte eingetreten sei. Diederik Samsom konnte vor allem in den Fernsehdebatten punkten. Etwa, wenn er in der Eurokrise für Realismus plädiert: "Wir müssen ehrlich sein. Aus Südeuropa werden wir nicht viel Geld zurückbekommen. Die Krise ist teuer. Aber ins Chaos laufen – das kostet viel mehr." Sicher weniger gern gehört als Premierminister Mark Ruttes Ansage: "Kein Cent mehr für Griechenland". Es gilt bei vielen Niederländern allerdings als ehrlicher.

Jedenfalls ein steiler Aufstieg für Diederik Samsom. Laut den Umfragedaten des Politikwissenschafters Andre Krauwel hat noch Mitte August kaum jemand Samsom zugetraut, dass er premierministertauglich ist. Inzwischen hat er Rutte überholt. "Es sollte für Rutte eigentlich ein klares Rennen sein, weil er rechts alleine ist. Die Christdemokraten haben praktisch aufgegeben und seit Geert Wilders die Regierung gestürzt hat, weiß keiner, warum man ihn wählen soll. Die Frage ist, warum die anderen Rutte so nahe kommen", analysiert Krauwel.

Wilders kämpft um Stimmen

Samstagmittag im südholländischen Tilburg. Der Rechtspopulist Geert Wilders auf Wahlkampftour, wie immer umringt von Bodyguards. Der Zulauf scheint spärlicher als früher. Wilders wirkt gereizt, ist kurz angebunden und sagt bloß: "Die Begeisterung ist riesig und unser Ergebnis wird gut. Ob Ihnen das gefällt oder nicht." Weitere Fragen werden nicht zugelassen, da passen die Leibwächter auf. Hier in Südholland könnten viele seiner Wähler zu den Linkssozialisten abwandern. Ihren Wahlkampfstand in Tilburg versucht Wilders angestrengt keines Blickes zu würdigen. Doch auch die Linkssozialisten haben in den Umfragen zuletzt stark verloren. Die Lust auf Experimente scheint verflogen. Es geht um Budgetsanierung und um Einschnitte ins Sozialsystem. Alles nicht populär, doch in den Augen der meisten Niederländer unvermeidlich.

Warnung vor den Linken

Ministerpräsident Mark Rutte auf Wahlkampftour. Gedränge um ein gemeinsames Foto mit dem Premier mit Bubencharme. Er buhlt um rechte Stimmen und warnt vor der linken Gefahr: "Nein, das ist nicht übertrieben. Die Linken fahren wirklich einen ganz anderen Kurs. Das birgt Risiken. Deshalb ist diese Wahl eine Richtungsentscheidung." Eine Koalition mit der als gefährlich eingestuften Arbeiterpartei will Rutte allerdings nicht ausschließen. Kann er auch nicht, will er dieses Mal eine stabile Regierung bilden. Offen ist allerdings, ob Rutte darin Premierminister wäre.