Vorab-Prüfung von Staatsverträgen
Die ganze Welt blickt heute auf Karlsruhe. Dort gibt das deutsche Bundesverfassungsgericht bekannt, ob es grünes Licht für den Euro-Rettungsschirm ESM gibt oder ob es ihn stoppt. In Österreich ist eine solche Prüfung von Staatsverträgen, noch bevor sie in Kraft sind, nicht möglich. Allerdings ist jetzt eine Diskussion darüber entbrannt.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 12.9.2012
Josef Cap: "Kluge Idee"
Sollte der Verfassungsgerichtshof zum Schluss kommen, der Euro-Rettungsschirm ESM, der laut Plan Mitte September in Kraft treten soll, sei verfassungswidrig, dürfte der ESM-Vertrag nicht angewendet werden. Außenpolitisch müsste sich Österreich aber an die Zusagen von Milliardenzahlungen und Haftungen halten. Eine juristisch delikate Situation für die österreichischen Staatsorgane, wie Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger findet. Er schlägt deshalb vor, Staatsverträge so wie in Deutschland auch in Österreich schon vor Inkrafttreten verfassungsrechtlich zu prüfen.
SPÖ-Klubobmann Josef Cap will die Idee aufgreifen: "Wir glauben, dass es Sinn macht, bei so großen Beschlüssen, die solche völkerrechtliche Abkommen und EU-Verträge betreffen, bereits am Beginn zu überprüfen." Man werde sich bemühen, dass das schon in den nächsten Monaten möglich sein kann, sagt Cap im Ö1-Interview.
ÖVP dagegen
Allerdings spielt der Koalitionspartner ÖVP nicht mit. Das Parlament sei in Österreich alleiniger Gesetzgeber. Könnte der Verfassungsgerichtshof Gesetze vor Inkrafttreten prüfen, würde er sie aber mitgestalten, so Klubobmann Karlheinz Kopf: "Das ist nicht seine Aufgabe, wir können nicht eine Doppelzuständigkeit für Gesetzgebung machen. Der Verfassungsgerichtshof ist konzipiert als eine Überprüfungsinstanz im Nachhinein, wenn eine Entscheidung getroffen ist. Ein anderer Weg wäre eine Aushebelung unserer gesetzgeberischen Alleinkompetenz des Parlaments."
Die Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung und Kontrolle durch die Justiz muss erhalten bleiben, findet die ÖVP: "Ich kann ja auch nicht bei jeder Handlung, die ich im Privaten setze, fragen: ist das jetzt in Ordnung und mit den Gesetzen vereinbar? Das ist einmal der Aufbau unserer Rechtsordnung und unseres Justizsystems, dass Handlungen im Nachhinein von Gerichten beurteilt werden und nicht im Vorhinein."
Zustimmung von Opposition
Kopf glaubt auch nicht, dass der ESM-Vertrag vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben werden würde. Es sei Aufgabe des Parlaments, nur Staatsverträge zu genehmigen, die der Verfassung entsprechen, so Kopf.
Mit einer Vorabprüfung von Staatsverträgen dürfte sich die SPÖ also beim Koalitionspartner nicht durchsetzen. Zustimmung hätte sie allerdings von den drei Oppositionsparteien. Sowohl FPÖ und BZÖ als auch die Grünen sprechen sich dafür aus.