Theater4all
Das Konzept ist einfach: Man nehme vor Beginn der Vorstellung sein Handy oder kleines mitgebrachtes Radio zur Hand, stecke die Kopfhörer an und schalte auf die Frequenz 99,2. Und schon kann es losgehen.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 14.9.2012
Das haben sich viele blinde oder sehschwache Theaterbesucher wohl schon lange gewünscht: Alles, was auf der Bühne geschieht, live geschildert zu bekommen. Und so wird Peter Turrinis Volksstück "Der Riese vom Steinfeld", das im Wiener Volkstheater seine deutschsprachige Erstaufführung hat, auch für sie zum intensiven Theatererlebnis.
Erster Einsatz im Theater
Vergangenen Dienstag war die Premiere für das Projekt theater4all. Damit wird in Österreich erstmals realisiert, was es in Deutschland oder Großbritannien schon gibt: Ein Audioservice, der den Theaterbesuch für sehbehinderte Menschen noch barrierefreier gestalten soll. Dass die Audiokommentare über das Radio am Handy empfangen werden können, macht die Angelegenheit freilich besonders komfortabel. Initiator des Projekts ist der Dienstleister Audio 2, der bisher vor allem Sportübertragungen live für sehbehinderte Menschen kommentiert hat; sei es direkt im Stadion oder über die Fernsehübertragung im ORF. Dort kommentiert Audio 2 mittlerweile auch andere Ereignisse wie royale Hochzeiten oder die Sendung Dancing Stars.
Auf den ersten Einsatz des Systems im Theater habe man sich gut vorbereitet, erklärt Michael Kastelic, Geschäftsführer von Audio 2: "Wir haben spezielle Damen und Herren, die dafür geschult sind, wir schreiben die Texte selber, das heißt der Kommentator oder die Kommentatorin besucht das Stück, schreibt den Text anhand der Videoaufzeichnungen und besucht das Stück nochmal, wir stimmen es noch mal mit einem blinden Hörer oder Hörerin ab, die dann sagt: "ja ich kann mir das vorstellen, das haut gut hin", und freuen uns selbstverständlich über jedes Feedback, was wir bekommen können."
Heute ist der Kommentator Johannes Karner im Einsatz; er sitzt in einer kleinen Kammer neben den Logen, wo sonst die Bildregie untergebracht ist, und schaut durch ein kleines Fenster auf die Bühne. Sieben oder acht Mal habe er sich das Stück auf DVD angeschaut und habe auch die Generalprobe besucht, erzählt Karner kurz vor der Aufführung. Die Herausforderung besteht darin, jene Lücken zwischen den Dialogen zu finden, in denen er das Bühnenbild, die Personen, ihr Aussehen, ihre Gestiken und Mimiken beschreiben kann.
Fehlerfrei bei der Premiere
Zu argen Kollisionen zwischen Dialogen und Text kommt es zum Glück nicht, die erste Aufführung geht klaglos über die Bühne. Das findet auch die Besucherin Veronika Kerschbaumer. Die sehschwache Theaterfreundin, selbst Laienschauspielerin, hat den Audiokommentar getestet. Endlich so viel mitzubekommen wie die anderen Besucher, zu wissen, warum die Leute lachen, sei ein großartiges Erlebnis. Aber sie hat auch Verbesserungsvorschläge: "Also für mich persönlich, wäre es schön, wenn man ein bisschen mehr erfährt, zum Beispiel ob es Tag ist oder Nacht ist. Das hätte ich noch gerne dabeigehabt.
Bei der Realisierung des Projekts theater4all arbeitet der Anbieter Audio 2 mit den Theaterhäusern, aber auch mit der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs zusammen, die vergünstigte Karten anbietet. Die Anfangskosten trägt Audio 2; um den Service öfter als zwei oder drei Mal im Monat und auch längerfristig anbieten zu können, werden derzeit Sponsoren gesucht.