Fritz Orter über die Lage in Damaskus

In Syrien wurden bei den Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und den Oppositionellen mehr als 20.000 Menschen getötet, 250.000 Syrer sind auf der Flucht - und die UNO steht dem Blutvergießen machtlos gegenüber. ORF-Korrespondent Friedrich Orter berichtet aus der syrischen Hauptstadt Damaskus.

Morgenjournal, 18.9.2012

ORF-Korrespondent Friedrich Orter aus Damaskus im Gespräch mit

Ungleiche Gegner in Syrien

In Damaskus herrscht eine absurde Situation: Hier kämpft eine erbärmlich ausgerüstete "Syrische Freie Armee" gegen eine Übermacht. Die reguläre Armee hat die Luftwaffe, mit denen sie die Viertel niederbombardiert. Die anderen haben Kalaschnikows, hereingeschmuggelte Waffen, haben Mitkämpfer wie Dschihadisten, alte Afghanistankämpfer und Syrer, die im Irak waren. Die Regierung nennt sie Terroristen. Sie sind in der Lage, die Bevölkerung und auch die Regierungstruppen zu terrorisieren, aber sie sind nicht in der Lage, die reguläre syrische Armee effektiv zu bekämpfen.

Assad Gefangener des eigenen Systems

Die Frage, wie lange sich dieses Regime noch halten wird, ist falsch gestellt: Denn dieses Regime wird nicht fallen, auch wenn Assad nicht mehr an der Macht ist. Es kann sein, dass die alawitische Elite, aus der er kommt, ihn von einem Rücktritt überzeugen kann. Aber man kann nicht das alte Regime wegfegen und hier plötzlich glauben, demokratische Strukturen aufzubauen – das ist unmöglich. Wenn man die aktuelle Entwicklung in der arabischen Welt ansieht, wo ein einziges idiotisches Video den ganzen Mob mobilisiert und zu einer Situation führt, die den ganzen Nahen Osten in Aufruhr bringt, nützt das auch dem Assad-Regime. Er hat immer gesagt, er sei die einzige Garantie, dass hier keine Islamisten, keine Fundamentalisten an die Macht kommen und das Land destabilisieren. So ist es auch. Er selbst ist Gefangener seines eigenen Systems. Er ist seinerzeit angetreten, das System zu verändern, aber das System hat ihn verändert. Und das ist die große Gefahr, weil dieser Konflikt längst außer Kontrolle geraten ist, weil es eben kein syrischer Konflikt mehr ist, weil hier ausländische Kräfte, vor allem Dschihadisten und Islamisten, sich einmischen und immer stärker werden. Diese Kräfte radikalisieren die Opposition und darin liegt die Gefahr. In Wirklichkeit ist es ein Krieg der sunnitischen armen Bevölkerung gegen das elitäre Assad-Regime, dem die Opposition vorwirft, korrupt zu sein und das Volk zu unterdrücken. Dieser Konflikt ist derzeit außer Kontrolle. Lösen können ihn nur die Syrer selbst.

Angst vor Ausweitung des Kriegs

Die Widerstandsbewegung ihrerseits ist von radikalen Elementen unterwandert, es kommt auch zu Massakern und schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Rebellen. Da wundert es nicht, dass nicht die ganze Bevölkerung hinter den Rebellen steht. Die Christen und natürlich die Alawiten unterstützen nach wie vor das Regime. Was sie eben nicht wollen, ist eine Ausweitung dieses Bürgerkriegs, in dem radikale Elemente – auch die Al-Qaida mischt inzwischen mit – an die Macht kommen.

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