Völkermord in Ruanda
Hate Radio
Der Völkermord in Ruanda 1994 gilt bis heute als der grausamste Genozid seit dem Ende des Kalten Kriegs, dem bis zu eine Million Menschen zum Opfer fielen. Als wichtiges Propagandamedium fungierte damals der beliebte Radiosender RTLM, der in seinem Programm den Hass gegen die Gruppe der Tutsi schürte und offen zum Mord aufrief. Das Theaterstück "Hate Radio" des Schweizers Milo Rau hat dieses Thema aufgegriffen. Im Mai war die Produktion beim Berliner Theatertreffen eingeladen und ist ab heute im brut im Wiener Künstlerhaus zu sehen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 20.9.2012
Aufgeweckte Moderatoren, Popmusik, Sportberichte - und dazwischen Hassparolen gegen die "Kakerlaken", wie die Tutsi in der Zeit des Völkermords verächtlich genannt wurden. Auf beklemmende Weise vereinte der Radiosender RTLM ein schmissiges Programm mit schrecklichster Propaganda. Im Theaterstück "Hate Radio" stellen Schauspieler in Form eines Re-enactments eine Live-Sendung nach. Das Studio ist realistisch nachgebaut, ein DJ und drei Moderatoren rufen unverblümt zur Vernichtung der Tutsi auf und reden sich dabei immer wieder in Rage.
Umfangreiches Material
Hinter der Produktion steht das "International Institute of Political Murder", kurz IIPM, das auch schon andere politische Ereignisse wie etwa "Die letzten Tage der Ceausescus" erfolgreich nachgespielt hat. Leiter des IIPM ist der Schweizer Autor und Regisseur Milo Rau. Er hat auch das Stück "Hate Radio", das im Dezember in Berlin uraufgeführt wurde, geschrieben und inszeniert. Für seine Recherchen in Ruanda konnte Rau auf umfangreiches Material zurückgreifen; denn nach dem Genozid wurde die Rolle des Radiosenders RTLM intensiv aufgearbeitet.
Nahe an der Realität
Valérie Bemeriki, die beliebte weibliche Moderatorin des Radiosenders, taucht im Stück "Hate Radio" wieder auf. Und auch die anderen Figuren sind an reale Personen angelehnt. Dennoch handle es sich um fiktive Charaktere, die er auf Grundlage seiner Recherchen geschaffen habe, sagt Milo Rau. Auch die Sendung, die auf der Bühne nachgespielt wird, wurde so nie ausgestrahlt - und soll dennoch der Realität möglichst nahekommen.
Milo Rau war es auch wichtig, Darsteller zu finden, die selbst biographische Bezüge zum Genozid in Ruanda haben. Eine von ihnen ist Nancy Nkusi, die Darstellerin der Valérie Bemeriki, die als Achtjährige mit ihrer Familie zu Beginn des Völkermords nach Belgien flüchtete. Einiges von damals habe sie in Erinnerung behalten, sagt die Schauspielerin. Und dennoch: Als sie das Manuskript von "Hate Radio" zum ersten Mal gelesen habe, sei sie schockiert gewesen und habe kaum glauben können, dass diese Sätze tatsächlich so gesagt wurden.
Bis kommenden Samstag ist "Hate Radio" im brut Wien zu sehen; im Anschluss an die Vorstellungen gibt es Publikumsgespräche.