Für ein vereinigtes und föderales Europa

Für Europa!

Für Europa! Diesen knappen Titel wählten die EU-Politiker Daniel Cohn-Bendit und Guy Verhofstadt für ihr Manifest, das in Buchform erschienen ist. Es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine starke EU und gegen nationalistische Eigeninteressen.

Die Autoren könnten unterschiedlicher nicht sein: der eine, Guy Verhofstadt, war bis 2008 belgischer Premierminister und ist derzeit Vorsitzender der Liberalen im Europaparlament. Der andere, Daniel Cohn-Bendit - Dany le Rouge - war 1968 einer der prominentesten Sprecher der französischen Studentenbewegung und leitet seit 2002 als Co-Präsident die europäische Grünen-Fraktion. Zusammengebracht habe sie das missglückte Euro-Krisen-Management der EU-Staaten, sagt Guy Verhofstadt

"Ich war wütend und frustriert über die Krise, die jetzt schon über drei Jahre andauert und dachte, es sei notwendig, auf das Unvermögen der nationalen politischen Führer in Sachen Krisenmanagement zu reagieren. Nachdem Daniel und ich uns aus dem Plenum des Europäischen Parlaments kennen und wissen, dass wir in der Sache gleicher Meinung sind, habe ich ihn gefragt, ob wir nicht ein Manifest lancieren sollten, in dem wir klar sagen, dass Europa nicht das Problem ist, Europa ist die Lösung."

Ein Weckruf

Das Manifest der beiden ungleichen Politiker versteht sich als Weckruf für Europa. "Begreife, wie ernst die Bedrohung ist. Achte, was uns vereinigt, nicht, was uns entzweit. Erkenne deine Gegner". Die Kapitelüberschriften in der 70-seitigen Streitschrift sind knapp und griffig.

Die Alternativen sind klar umgrenzt: entweder wir wählen ein föderales Europa, eine Art Vereinigte Staaten diesseits des Atlantiks - oder - so steht es im Manifest – die 27 EU-Staaten fallen zurück in ihre nationalen Verliese. Angesichts der zunehmenden Globalisierung sei dieser Weg auch für ein von der Krise noch kaum gebeuteltes Land wie Österreich keine Alternative, meint Daniel Cohn-Bendit. Keiner der 27 EU-Staaten sei allein stark genug, um seine Interessen gegen Imperien wie China, Indien, Russland oder die USA nachhaltig durch zu setzen, meinen Cohn-Bendit und Verhofstadt.

Eine zentrale europäische Regierung

Ganz konkret schlagen die beiden Europa-Politiker vor, den EU-Rat, in dem die Staatschefs nur egoistisch agieren, abzuschaffen und die EU-Kommission zu einer gesamt-europäischen Zentral-Regierung aufzuwerten - mit direkt gewählten Ministern, einer gemeinsamen Wirtschafts-, Steuer- und Haushaltspolitik.

Ein Konstrukt, in dem nicht mehr die großen Euro-Staaten den Ton angeben, sondern jedem Bürger - auch in Österreich - mehr Mitspracherecht zukommen soll.

"In einem föderalen Europa sind alle Bürger gleich. Es ist der aktuelle Stand der Dinge, der problematisch ist. Jetzt entscheidet hauptsächlich der Europäische Rat, in dem ein paar mächtige Staaten wie Deutschland und Frankreich für alle anderen entscheiden. Was wir wollen, ist ein föderales Europa -die Einwohner dieser Föderation sind alle gleich. Die Staatsbürger wählen eine Regierung, ein Parlament – so können auch alle Österreicher partizipieren. Sie sind den Deutschen, den Franzosen gleichgestellt – was jetzt nicht der Fall ist. Ein föderales Europa ist ein Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung der europäischen Bürger."

Die Euro-Krise als Beispiel

Für Guy Verhofstadt zeigt gerade die derzeitige Euro- Krise, wie nötig eine starke EU ist. Die Willkür der Spekulanten mache eben auch vor Staatsgrenzen nicht halt. Schuld an der Krise hätten aber nicht die Finanzmärkte, sondern die Euro-Staaten selbst. Zu zögerlich habe man auf die ersten Anzeichen der Krise reagiert.

Die fehlende Bereitschaft, notleidenden Euroländern zu Hilfe zu kommen, habe auch das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung schwinden lassen. Statt einen großen Wurf zur Rettung des Euro hinzulegen, habe man sich in Trippelschritten von einem Euro-Gipfel zum nächsten bewegt - 25 solcher Gipfel hat Verhofstadt seit Beginn der Krise im Herbst 2009 gezählt - mit ein Grund, warum das Kippen einer unbedeutenden Wirtschaft wie der griechischen den gesamten Euro-Raum ins Schleudern bringen konnte. Aber der frühere belgische Premierminister verschweigt auch nicht, dass der Euro bereits mit einem Geburtsfehler an den Start ging.

"Es ist klar, wir haben ein Problem mit dem Euro. Er war ursprünglich ein politisches Projekt, ein Deal zwischen Helmut Kohl und Francois Mitterand - ein Schritt in die richtige Richtung, denke ich. Aber was wir Anfang 2000 nicht gemacht haben, war, auch eine wirtschaftliche, steuerliche und politische Union zu gründen. Jetzt wissen wir, dass das nicht funktioniert, eine gemeinsame Währung ohne einen Staatsapparat zu haben, der bei den Staatsbürgern und auf den Märkten Vertrauen schafft. Man braucht alles, was einen Staat ausmacht, einen Anleihenmarkt, eine Regierung, ein Finanzministerium, um eine tragfähige Währung zu haben. Das macht die heutige Euro-Krise aus: es ist eher eine politische Krise – das Fehlen eines Bundesstaates hinter der Währung - als eine Wirtschafts- oder Finanzkrise."

Die Vereinigten Staaten von Europa

Die beiden Autoren geben sich keinen Illusionen hin: es ist noch ein weiter Weg bis zu einem Vereinten Europa. Als Utopisten wollen sie sich nicht bezeichnen. Utopisten seien diejenigen Staatsmänner, die noch immer glauben, sich mit eigener Kraft aus dem Euro-Schlamassel ziehen zu können. In der Zukunft führe kein Weg vorbei an den Vereinigten Staaten von Europa, davon ist Daniel Cohn-Bendit überzeugt.

"Für Europa!" ist ein klares und leidenschaftliches Plädoyer, das jedem EU-Befürworter gefallen dürfte. Ob Europa-Skeptiker nach der Lektüre des schmalen Bändchens die Seiten wechseln werden, darf allerdings bezweifelt werden. Keines der Argumente der beiden EU-Politiker ist wirklich neu.

Eines haben Guy Verhofstadt und Daniel Cohn-Bendit aber schon erreicht: ihr Manifest erschien gleich in mehreren EU-Ländern- und zwar in sechs Sprachen, drei weitere sind geplant. Geht es nach dem Willen der Autoren, dann wird die griechische Ausgabe übrigens verschenkt.

Service

Daniel Cohn-Bendit und Guy Verhofstadt, "Für Europa!", Hanser Verlag