Demenz: WGs als alternative Betreuungsform

7,3 Millionen Menschen leben in Europa mit der Diagnose Demenz. Zählt man die Angehörigen dazu, auf die sich die Krankheit körperlich wie seelisch auswirken kann, gibt es 19 Millionen betroffene Frauen und Männer. Unisono fordern Mediziner, Psychologen und Alzheimer-Selbsthilfegruppen neue Betreuungsstrategien. Österreich habe Aufholbedarf.

Mittagsjournal, 6.10.2012

Neurologe: "Hinken modernen Ländern hinterher"

Frankreich hat einen nationalen Demenzplan, Italien hat in den vergangenen Jahren die wohnortnahen Tagesbetreuungszentren von 60 auf 500 gesteigert und in Großbritannien setzt man auf Früherkennung. Demenz wird von der Politik also in vielen europäischen Ländern mittlerweile strategisch angegangen, mit dem Wissen, dass sich das Problem in den nächsten Jahren verschärfen wird.

So sollen etwa pflegende Angehörige entlastet werden. Alternative Betreuungsformen, wie Demenz-WGs seien richtungsweisend, weiß Neurologe Georg Psota, Chefarzt des Psychosozialen Dienstes in Wien: "Da hinken wir den moderneren Ländern Europas sicher hinterher. Es wird darum gehen, sich in Europa umzuschauen, welche Modelle in welchen Staaten welche Qualität und welchen Erfolg bringen." Im Gegenzug könne es Psotas Meinung nach nicht sein, dass es nur das Modell "Zuhause oder Pflegeheim" gibt, das sei eine zu kleine Palette.

"Demenz-Dorf" in den Niederlanden

In den Niederlanden hat man das Konzept des Pflegeheims völlig neu interpretiert. In dem "Demenz-Dorf" Hogewey leben Betroffene und professionelle Betreuer zusammen. Es gibt ein Restaurant, einen Shop. Die Betroffenen können sich frei bewegen. Sollten sie sich verlaufen, werden sie wieder in ihr Haus zurückgebracht, das sie mit fünf weiteren Demenzkranken teilen.

Das Projekt sei erfolgreich, wenn auch unter Experten nicht ganz unumstritten. Die Bewohner, so Psota, fühlten sich dort auf jeden Fall wohl: "Man merkt schon, ob Demenzkranke mit einem Angebot einverstanden sind oder nicht. Sind sie das nicht, bringen sie das durch Widerstand zur Kenntnis."

Betroffene fühlen sich ausgeschlossen

Unumstritten ist auf jeden Fall, so das Ergebnis der Vorträge auf der diesjährigen Alzheimer-Konferenz in Vösendorf, dass nationale Strategiepläne helfen, das gesellschaftliche Problem der Demenzerkrankungen in den Griff zu bekommen. Zahlreiche Beispiele würden das belegen.

In Österreich fehle allerdings ein nationaler Demenzplan. Der könnte aber dazu führen könnte, dass die Betroffenen und deren Angehörige sich nicht mehr so stigmatisiert fühlten, heißt es. Denn 75 Prozent der direkt Betroffen fühlen sich laut dem neuesten Welt-Alzheimer-Report 2012 von der Gesellschaft ausgeschlossen.

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