Der große Bluff

Arme Milliardäre!

In etwas mehr als drei Wochen wird in den USA wieder gewählt. Der Ausgang ist ungewiss - auch dank des Aufstiegs der Tea Party-Bewegung. Wie diese rechts-konservative Bewegung trotz Wirtschaftskrise so mächtig werden konnte, lässt sich im Buch "Arme Milliardäre!" nachlesen.

Was ist schief gelaufen vor vier Jahren, als die USA von der größten Finanzkrise seit den 1930er Jahren heimgesucht wurde? Wie konnte just in dem Moment, als zockende Banker die Weltwirtschaft tief in den Abgrund blicken ließen, am rechten Rand eine Bewegung wie die Tea Party entstehen?

Eine Gruppe, die nichts weniger fordert als den freien, den ungezügelten Markt? Thomas Frank, linksliberaler Autor und Kolumnist, geht in seinem Buch "Pity the Billionaire" - so der Originaltitel - diesen Fragen nach.

Dass der Volkszorn nicht die Banken traf, sondern die Obama-Regierung, dafür macht Thomas Frank auch den Präsidenten selbst verantwortlich: die Banken-Rettung sei mehr schlecht als recht durchgeführt worden – was blieb, war der schale Nachgeschmack, dass die Regierung mit den Finanzhaien gemeinsame Sache macht und Steuergelder in die maroden Banken pumpt.

Das Feindbild des "kleinen Mannes" war plötzlich nicht mehr das große Kapital, sagt Thomas Frank, sondern der raffgierige Staat. Aus der Wut auf die Wall Street wuchs der Ärger auf die regierenden Demokraten.

Die Republikaner nützten die Gunst der Stunde. Sie verstanden es, die Tea Party zu ihrer Bewegung zu machen und schürten die Angst der Amerikaner vor einem übermächtigen Staat.

Dabei sei es gerade der Abbau von staatlichen Regulierungen gewesen, mit dem Obama-Vorgänger George W. Bush der Finanzkrise erst Tür und Tor öffnete, meint Thomas Frank.

Wie ernst es die Konservativen mit ihrem neuen, radikalen Kurs meinen, zeigte der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan in seinen vor einigen Wochen präsentierten Budgetplänen.

Wer glaubt, dass in Krisenzeiten mit einem solchen Budgetentwurf keine Stimmen zu gewinnen wären, der irrt. In den letzten Wochen haben die Republikaner in den Wahlprognosen rasant aufgeholt, Experten gehen mittlerweile von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Barack Obama und Mitt Romney aus.

Viele US-Amerikaner werden bei der Wahl wohl gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen stimmen. Und für den amerikanischen Traum, der vorgibt, dass aus jedem Tellerwäscher ein Millionär werden kann. Sogar Arbeitslose stimmen ein in den Lobgesang auf den ungezügelten Markt. Ein Phänomen, das Thomas Frank gerne als "Massenbekehrung zur Religion der freien Marktwirtschaft" bezeichnet.

Aus seiner Sympathie für die Demokraten macht der Autor keinen Hehl. Aber auch Barack Obama bekommt in "Arme Millionäre" sein Fett ab: der Präsident habe schon längst seinen Heiligenschein abgelegt, sagt Thomas Frank.

Die Zeit für einen Wechsel im Weißen Haus sieht Thomas Frank noch nicht gekommen: Barack Obama habe bei der kommenden Wahl die besseren Karten, meint er - aber nur, weil die Republikaner auf den falschen Kandidaten gesetzt hätten.

Sein Buch "Arme Milliardäre" ist eine polemische Abrechnung mit den Populisten am rechten Rand – gespickt mit bösem Humor, aber auch punktgenauen Analysen. Eine Lektüre, die auch für Kenner der amerikanischen Politszene noch Lesenswertes bereithält.

Service

Thomas Frank, "Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt", Kunstmann Verlag