Audi Urban Future Award

Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Darum geht es beim ITS-Weltkongress, der gestern in Wien begonnen hat. Intelligente Technologien können für Verkehrs- und Stadtplanung eingesetzt werden: Sensoren etwa, die den Autofahrer über Fahrbahnglätte informieren, oder Handy-Apps, die zu noch freien Parkplätzen geleiten.

Kulturjournal, 23.10.2012

Dass die Verkehrsplanung ohne moderne Technologien nicht mehr auskommt, zeigt auch der Audi Urban Future Award, der heuer schon zum dritten Mal fünf Architekturbüros aus aller Welt eingeladen hat, sich über die Mobilitätskonzepte der Zukunft den Kopf zu zerbrechen.

Aus Mumbai, China, Sao Paulo, Istanbul und New York kamen die Architektenteams, die um den Audi Urban Future Award gerittert haben. Mit 100.000 Euro ist er deutlich höher dotiert als der Pritzkerpreis, der als Nobelpreis der Architekturwelt gilt.

Istanbul ist die perfekte Stadt für einen Mobilitätspreis: Der Autoverkehr in der 15-Millionen-Stadt stockt, Staus sind an der Tagesordnung, denn Istanbul nimmt Platz 4 im internationalen Ranking der Megacitys ein. Mit dem Ausbau der U-Bahn als Massenverkehrsmittel hat man wegen der alltäglichen Verkehrsinfarkte aber erst Ende der 1980er Jahre begonnen.

Der Eisenbahntunnel, der Europa und Asien unter dem Bosporus verbinden soll, und die U-Bahnbrücke über dem Meer, die gerade in Bau sind, werden die Situation bald erleichtern. Obwohl in Istanbul nur halb so viele Autos zugelassen sind wie in anderen europäischen Städten, sind die meist gehsteiglosen Straßen so verstopft, dass man sich als Fußgänger nur sehr mühsam an parkenden Autos und Mülltonnen vorbeiquält, sagt Selva Gürdogan, die mit dem türkischen Architekturbüro Superpool am Wettbewerb teilgenommen hat.

Verkehrsleitung per Handy-App

Die von Superpool vorgeschlagene Lösung ist postmaterialistisch, wie auch die anderen zum Wettbewerb eingereichten Konzepte: Mittels Handy-Apps werden den Menschen die idealen verkehrsarmen Routen durch die Stadt gezeigt und manche Wege überhaupt erspart, weil sie auf gewünschte Dienstleistungen in allernächster Nähe hingewiesen werden.

Auch der Urban Think Tank aus Sao Paulo plant keine Neubauten - außer vielleicht Seilbahnen in entlegene Slums -, sondern denkt einfach die Verkehrswege neu: So könnten etwa die Supermärkte, wie es in den Slums von Sao Paulo bereits üblich ist, ihre Waren anliefern, statt Hunderte PKWs zur Einkaufsfahrt an die Peripherie zu locken. Für diese Neuorganisationen sei eine Menge politischer Intelligenz notwendig. Sie müsse jetzt von planenden Architekten kommen, da die Menschen das Vertrauen in die Politiker verloren hätten, sagt der brasilianische Architekt Alfredo Brillembourg. Und: Sao Paulo sei schon eine alte Megacity. Wenn man die Probleme hier in den Griff bekäme, könne man sie auch in den neuen Megacitys Afrikas und Asiens lösen.

Die "Generation ohne Golf"

Dass die Probleme der Verkehrsplanung gravierend sind, zeigt nicht zuletzt die Höhe des Preisgeldes und dass es gerade einer der renommiertesten Autohersteller ist, der sich über alternative Mobilitätsmodelle den Kopf zerbricht. Rupert Stadler, der Vorstandsvorsitzende der Audi AG, sagte bei der Preisverleihung, es gäbe einen weltweiten Trend zur Verdichtung. 2030 werden fünf Milliarden Menschen in Städten leben und nur 3,5 Milliarden auf dem Land. Auch dann soll Mobilität in der Stadt noch möglich sein. Das ist der Grund, warum Audi so klug ist, über den Tellerrand zu blicken und Rupert Stadler bei der Preisverleihung das Querdenken pries. Mit eine Rolle spielt vielleicht auch die heranwachsende "Generation ohne Golf". Denn Statistiken zeigen, dass für fast ein Drittel der 18- bis 25-jährigen Deutschen das Auto kein Statussymbol mehr ist.

Die Sieger des Audi Urban Future Awards, das Architekturbüro Höweler+Yoon aus New York, propagierte dann auch nicht Auto contra Öffis, sondern schickte PKWs, Züge, Autos, Busse und Fußgänger auf einen "Shareway", ein mehrschichtiges über- und unterirdisches Netzwerk aus Schienen und Asphalt, auf dem Personen und Waren wie mit Zauberhand von einem Transportmittel ins andere gleiten - wie in einem Science-Fiction-Film. Voraussetzung für das Gelingen dieses Konzeptes ist eine Neu-Erfindung des amerikanischen Traums: Basierte der alte auf Eigentümerschaft, baut der neue auf Mitgliedschaft.

"Wir wollen keinen Besitz haben. Wir wollen die Freiheit der Wahl haben" sagt Eric Höweler. Für den alten Traum vom Einfamilienhaus mit Garten nimmt die Durchschnittsfamilie gewaltige Transportkosten in Kauf - mehr als für Essen und Gesundheit. 1,9 Milliarden Gallonen Treibstoff werden in Staus verschwendet, das entspricht zwei Monaten Durchfluss in der Trans-Alaska-Pipeline. Schon die vier Urlaubstage extra, die US-Bürger jährlich im Stau absitzen, entsprächen sicher nicht der freien Wahl. Höweler fragt daher: Wollt Ihr das wirklich? Und will zum Architekten neuer Träume werden.

Die Idee: eine neue Kultur des Sharings sollte weit mehr umfassen als das Car-Sharing. Wenn es jetzt noch bedeutet, erfolgreich zu sein, mehrere Immobilien und Autos zu besitzen, so wird in Zukunft als erfolgreich gelten, wer Zugang zu den Dingen hat, wer etwa mit einem der kleinen Elektro-Leihautos, die wie Leihräder am Bahnhof warten, entspannt die allerletzte Wegstrecke nach Hause zurücklegt.