100.Tour de France im Schatten Armstrongs

In Paris haben die Veranstalter der Tour de France gestern abend die Strecke für die 100. Ausgabe der Tour im nächsten Jahr präsentiert. Aber das Jubiläum ist gründlich verpatzt, der Doping-Skandal um Lance Armstrong hat die Tour schwer beschädigt.

Morgenjournal, 25.10.2012

In Paris haben gestern die Veranstalter der Tour de France vor über 1000 geladenen Gästen und Journalisten die 100. Ausgabe des größten Radrennens der Welt präsentiert, die am 29. Juni kommenden Jahres erstmals überhaupt auf der Mittelmeerinsel Korsika starten wird. Diese Präsentation der 3.360 Kilometer langen Jubiläumsausgabe, welche diesmal ausschließlich auf französischem Territorium gefahren wird, geriet für die Veranstalter zu einem Drahtseilakt, angesichts der Tatsache, dass nur 48 Stunden zuvor dem siebenmaligen Gewinner dieser Frankreich-Rundfahrt, Lance Armstrong, vom Weltradsportverband UCI wegen Dopings sämtliche Titel aberkannt worden waren . Dementsprechend war bei der Präsentation des Tour-Verlaufs für das Jubiläumsjahr 2013 das Thema Doping in allen Köpfen präsent und am Rande eindeutig das Hauptthema .

"Unredliche Personen"

Spektakuläre Videopräsentationen, atemberaubende Bilder, Worte der Superlative, Beschwörung der ewigen Bande zwischen der Tour und Frankreich, ein Radrennen, welches Bestandteil des französischen Kulturgutes sei – die Veranstalterfirma ASO versuchte mit allen Mittel, sich das Fest der Präsentation der 100. Ausgabe der Tour de France nicht verderben zu lassen. Und doch schien der Generaldirektor und Sohn der Besitzerin von ASO, Jean Etienne Amory, einen Knoten im Hals zu haben, als er in seiner Begrüßungsrede reichlich beschönigend -angesichts des organisierten Dopings in Armstrongs und anderen Teams- sagte: Nicht die Dopingbekämpfung im Radsport ist in Frage gestellt, auch wenn sie ständig verstärkt werden muss, sondern die Präsenz von unredlichen Personen. In der Umgebung der Teams und manchmal innerhalb der Teams selbst.

Nur ein Thema

Im Saal saß auch der Spanier Alberto Contador, der nach Aberkennung des Toursiegs 2010 und einer Dopingsperre nächstes Jahr wieder an den Start gehen wird. Ihm fiel nichts Besseres ein, als am Rande Lance Armstrong zu verteidigen, man habe dem Texaner keinen Respekt entgegengebracht, man habe ihn erniedrigt und gelyncht, bedauerte Contador und trat in die Fußstapfen seines Landsmanns und fünfmaligen Toursiegers Miguel Indurain, der Armstrong nach wie vor für unschuldig hält oder des großen Eddy Merckx, der dieser Tage mit krassen Worten hergezogen war über die ehemaligen Teamgefährten Armstrongs, welche über die langjährige Dopingpraxis des ehemaligen Radstars ausgepackt hatten, nicht zu vergessen der französische Ex-Profi Laurent Jalabert, seit Jahren Tour de France – Co-Kommentator des französischen Fernsehens - für ihn bleibt Armstrong ein großer Champion.

Dies alles passte nicht zum flammenden Anti-Doping Aufruf, den der Renndirektor der Tour, Christian Prudhomme, gestern an die Radsportwelt richtete - er, der 2009 Armstrongs Comeback bei der Tour de France noch begrüßt hatte: Die Tour de France wird sich als stärker erweisen als das Doping, stärker, als die Betrügereien, die auch auf andere Sportarten übergreifen, das Doping ist der Feind. Ein Fahrer kann alleine Fehler begehen, aber seine Umgebung spielt eine Schlüsselrolle. Beim bereits begonnenen Wiederaufbau, der die gesamte Welt des Radsports betrifft, haben die Manager eine wesentliche Rolle. Sie geben die Richtung vor und sie müssen im eigentlichen Sinn des Wortes ein Schutzwall sein.

Frage der Verantwortung

Irgendwann wird aber auch die Frage gestellt werden, ob der Tour de France Veranstalter ASO nicht auch eine Mitverantwortung für die jahrelange Dopingpraxis beim größten Etappenrennen der Welt trägt. Nicht ewig wird er die Verantwortung allein auf den Radweltsportverband UCI abwälzen können, welcher zu Armstrongs besten Zeiten und darüber hinaus ein Jahrzehnt lang eine ernsthafte Dopingbekämpfung immer wieder hintertrieben hatte.