Komponist Hans Werner Henze gestorben
Am 27. Oktober wollte Deutschlands wohl wichtigster zeitgenössischer Komponist die Uraufführung eines seiner Stücke in der Semperoper besuchen. Doch Hans Werner Henze starb während seines Besuchs in Dresden.
8. April 2017, 21:58
Einer der wichtigsten Komponisten der Gegenwart, Hans Werner Henze, ist im Alter von 86 Jahren in Dresden gestorben. Während einer Konzertreise erlitt der 1926 in Gütersloh geborene Musiker, der in den 50er Jahren nach Italien gezogen war, vergangene Woche einen Zusammenbruch als Spätfolge einer Parkinson-Erkrankung - er starb nach wenigen Tagen im Krankenhaus. Nach Angaben seiner Verlage soll Henze in seiner Wahlheimat, in Marino bei Rom, bestattet werden. Der Zeitpunkt steht noch nicht fest.
"Große Bedeutung"
Mehr als 130 Werke kennzeichneten Henzes künstlerische Schaffenskraft. Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben seiner hoch gelobten 9. Symphonie unter anderem die Oper "Die Bassariden", die 1966 in Salzburg bejubelt wurde.
Die Semperoper Dresden würdigte Henze als bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten Deutschlands. "Wir sind sehr traurig über den Tod Hans Werner Henzes, dessen Werke von großer Bedeutung für die Semperoper und die Sächsische Staatskapelle sind", sagte Geschäftsführer Wolfgang Rothe der Nachrichtenagentur dpa.
Zuletzt hatte Henze in Dresden Mitte Oktober noch die Aufführung seiner Komposition "Sebastian im Traum" im 3. Sinfoniekonzert unter Leitung von Christian Thielemann erleben können. Dirigent Thielemann reagierte während einer Reise in Taiwan auf Henzes Tod: "Er war für mich ein Komponist, der wie kaum ein anderer mit den klanglichen Möglichkeiten des Orchesters umzugehen wusste; seine außergewöhnliche Instrumentationskunst erinnerte mich immer an Richard Strauss." Auf das neue Orchesterwerk "Isoldes Tod", das Henze für die Staatskapelle schreiben wollte und das bei den Salzburger Osterfestspielen 2013 uraufgeführt werden sollte, habe er sich sehr gefreut, so Thielemann.
Wolfgang Rothe von der Semperoper sagte: "Dass wir am Tag seines Todes eines seiner Werke - "Das Vokaltuch der Kammersängerin Rosa Silber" - in unserem neuen Ballettabend als Kreation auf die Bühne der Semperoper bringen, berührt mich zutiefst." Henze hatte am Samstag ursprünglich selbst zu dem dreiteiligen Ballettabend "Bella Figura" kommen wollen. Er enthält auch die Uraufführung eines Stückes der amerikanischen Choreografin Helen Pickett zur Musik von Henze.
Genau eine Woche vor seinem Tod - am Samstag, dem 20. Oktober - war noch ein Musikstück von Henze in der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt worden. Henze hatte das etwa fünfminütige Stück, "Ouvertüre zu einem Theater", zur Hunderjahrfeier des Opernhauses im Stadtteil Charlottenburg komponiert. Mit der Deutschen Oper verband Henze seit den 1960er Jahren eine fruchtbare Zusammenarbeit.
Simone Young, Generalmusikdirektorin und Intendantin der Staatsoper Hamburg, sagte zum Tod von Henze: "Das ist das Ende einer großen Ära. Hans Werner Henze war ein Theatermensch wie kaum ein Komponist unserer Zeit." Young hatte 2006 die Deutsche Erstaufführung der Oper "L'Upupa und der Triumph der Sohnesliebe" geleitet.
Aufgewachsen in Gütersloh
Henze wurde am 1. Juli 1926 in Gütersloh als Sohn eines Dorfschullehrers geboren und studierte an der Staatsmusikschule in Braunschweig Klavier, Schlagzeug und Musiktheorie.
Nach dem Krieg ging er an das Kirchenmusikalische Institut nach Heidelberg und studierte anschließend Komposition in Darmstadt und Paris. Konflikte mit seinem autoritären Vater, der mit den Nazis sympathisierte, prägten Henze nachhaltig.
Durchbruch mit "Die Bassariden"
Die Werke "Boulevard Solitude" (1952), "König Hirsch" (1956), "Der Prinz von Homburg" (1960) und "Elegie für junge Liebende" (1961) begründeten Henzes Ruf als Opernkomponist. 1966 kam dann der endgültige Durchbruch mit "Die Bassariden".
Dass er selbst Radikalität zeigte und für viele Jahre im Sog seines Freundes Rudi Dutschke zum antibürgerlichen Klassenkämpfer und unbeugsamen Verfechter des Sozialismus wurde, trug ihm viele Schmähungen in seinem Heimatland ein.
Sie reichten vom stillschweigenden Boykott seiner Werke bis zum schrillen Eklat, als sich der Rias-Chor 1968 in Hamburg weigerte, unter einer roten Flagge das dem Revolutionär Che Guevara gewidmete Oratorium "Das Floß der Medusa" zu singen.
Bereits im Jahre 1953 wanderte der Künstler, der offen mit seiner Homosexualität umging, nach Italien aus, wo er auf einem Landsitz nahe Rom lebte.
1988 begründete Henze mit der Münchner Biennale für Neues Musiktheater eines der größten Foren gegenwärtigen Komponierens.
Bundesverdienstkreuz mit Stern
Zu den zahlreichen Auszeichnungen, die der wohl produktivste und am meisten gespielte Opernkomponist der Nachkriegszeit erhielt, gehören der Robert-Schumann-Preis (1951), der Ernst-von-Siemens-Musikpreis (1990), der Praemium Imperiale (2000) und der Cannes Classical Award in der Kategorie "Best Living Composer" (2001).
2003 wurde Henze zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt. Ein Jahr später erhielt er die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Musik und Theater in München.
2008 bekam Henze das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern verliehen. Bislang erhielten nur rund 120 Persönlichkeiten die Ehrung in dieser Ordensklasse - unter insgesamt rund 243.000 Auszeichnungen mit dem Bundesverdienstkreuz seit 1951 überhaupt.