Merkel kritisiert Putin in Moskau
Wladimir Putin greift gegen Kritiker hart durch. Bei Staatsbesuchen sind die russischen Menschenrechts- und Demokratie-Defizite aber meist kein großes Thema. Anders beim gestrigen Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Putin: Sie kritisierte die Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten. Putins Reaktion war polemisch.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 17.11.2012
Anlassfall Pussy Riot
Es gebe eine Reihe von Gesetzen, bei denen sie nicht erkennen könne, dass sie die Freiheit der Menschen beförderten, kritisierte Angela Merkel bei ihrem Treffen mit Wladimir Putin. Und zum Gerichtsprozess gegen drei junge Frauen der kremlkritischen Punk-Band Pussy Riot meinte Merkel, deren Auftritt in einer Kirche hätte in Deutschland zwar auch für Aufregung gesorgt: "Aber ob man dafür als junge Frau zwei Jahre in ein Arbeitslager muss, das weiß ich nicht. In Deutschland wäre das jedenfalls so nicht gewesen."
Putin reagierte gewohnt zynisch und holte zum Gegenschlag aus: Eine der verurteilten jungen Frauen von Pussy Riot habe vor einiger Zeit an einer antisemitischen Kunstaktion teilgenommen. Gerade Deutschland könne eine solche Position nicht unterstützen. Dass die erwähnte Kunstaktion ganz im Gegenteil gegen Fremdenhass und Antisemitismus gerichtet war, daran konnte – oder wollte – sich der russische Präsident nicht erinnern.
Kapselt sich Russland ab?
Ohnehin ist fraglich, ob Kritik aus dem Ausland Wladimir Putin beeindruckt. Irina Scherbakowa von der Menschenrechtsorganisation Memorial betont, sie sei nötig. Es gehe um die Integration der Atommacht Russland in Europa: "Es gibt nicht nur in der Innenpolitik, sondern auch in der Außenpolitik Merkmale, dass eine Abkapselung vom Westen zu sehen ist. Und das ist gefährlich: Nicht nur weil es im europäischen Raum zu einer Konfrontation führt, sondern auch, weil sich Russland nicht modernisiert, sondern sich in eine Gegenrichtung dreht." Andere politische Beobachter befürchten, dass zu heftige Kritik aus dem Ausland von Putin als Angriff verstanden wird und im Inland zu einem noch repressiveren Kurs gegen politische Gegner führt.
Verbindendes im Vordergrund
Doch insgesamt standen beim gestrigen Treffen ohnehin freundschaftliche Signale im Vordergrund. Sowohl Putin als auch Merkel betonten demonstrativ die engen wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder. "Das geht auf der einen Seite zurück auf Ressourcenstärke Russlands, auf der anderen Seite auf die Fähigkeit und den Wunsch Deutschlands, in der Modernisierungspartnerschaft beim Aufbau Russlands im Bereich der Infrastruktur, im Bereich der Hochtechnologie hilfreich zu sein", führt Merkel aus.
Deutschland ist einer der größten Abnehmer von russischem Öl und Gas. Und deutsche Unternehmen setzen auf den russischen Markt. Allein Siemens unterzeichnete gestern einen Auftrag im Wert von knapp drei Milliarden Euro. Trotz des Schlagabtauschs über Menschenrechte – es herrscht Realpolitik. Und die bedeutet: Man braucht einander, auch wenn es zuweilen Meinungsunterschiede gibt.