Preisträgerin Suzana Milevska

Igor Zabel Award 2012

Preise und Förderstipendien gibt es für Kunstschaffende einige – für Kunsttheoretikerinnen und Kuratoren sind die Auszeichnungen jedoch schwach gesät, obwohl auch deren Leistungen für die Kultur notwendig und meist unterbezahlt sind.

Aus diesem Grund hat die Erste Stiftung einen Preis für "Kultur und Theorie" gegründet, der auf den Raum Ost- und Südosteuropa fokussiert ist und nun zum dritten Mal vergeben wurde, und zwar an die mazedonische Kuratorin und Kunsthistorikerin Suzana Milevska. Dotiert ist er mit 40.000 Euro, und jeweils 12.000 Euro ergehen an drei weitere Stipendienempfänger.

Benannt ist der Preis nach dem slowenischen Kurator, Autor und Theoretiker Igor Zabel, der sich um die Gegenwartskunst in Slowenien und im Ausland verdient gemacht hat und 2005 unerwartet verstorben ist. Am Freitag wurde der Igor-Zabel-Preis 2012 in der Zachenta Galerie in Warschau vergeben.

Kulturjournal, 19.11.2012

Suzana Milevska ist Kuratorin. Diese international gebräuchliche Berufsbezeichnung hat sie in den 1990er Jahren in ihrer Heimat Mazedonien überhaupt erst eingeführt - erschwert durch den unglücklichen Umstand, dass das Wort "Kurator" mit dem mazedonischen Wort fürs männliche Geschlecht Ähnlichkeiten hat. Auf Milevskas Betreiben hat sich sogar der Berufsverband der Kunstkritiker damit befasst, ob "Kurator" ein eigener Beruf ist. Milevska hofft, mit der hochdotierten und international beachteten Auszeichnung, ihrem Berufsstand zu einem besseren Ansehen zu verhelfen.

1961 in Bitovo in Mazedonien geboren, hat Milevska am Londoner Goldsmiths College dissertiert und an zahlreichen Kunstprojekten mitgewirkt, etwa 2009 an der Ausstellung "Gender Check" im MUMOK in Wien, für die sie die Geschichte des Feminismus am Balkan recherchierte.

Zuletzt arbeitete sie an einem mehrjährigen Forschungsprojekt mit dem Titel "The Re-naming Machine" über die politischen und sozialen Prozesse des Umbenennens. Ausgangspunkt war die Umbenennung des unabhängigen Staates Mazedonien, die durch den südlichen Nachbarn Griechenland erzwungen wurde, um territorialen Ansprüchen vorzubeugen. Es folgte eine Welle der Umbenennungen von Straßen, Gebäuden und Verkehrsknotenpunkten in Mazedonien selbst. Verweise auf die ottomanische Vergangenheit und die gemeinsame Geschichte mit Griechenland werden aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt. Dieses Phänomen - das freilich an vielen Orten, besonders in den post-sozialistischen Ländern - zu beobachten ist, wollte Milevska mit "The Re-naming machine" zur Diskussion stellen.

Förderung von Roma-Künstler/innen

In der mazedonischen Hauptstadt Skopje, wo Suzana Milevska lebt, gibt es eine riesige Roma-Siedlung, ein von der Stadt abgeschottetes Slum, das viele Bewohner Skopjes gar nicht kennen. Für diese Siedlung und seine Bewohner begann sich Suzana Milevska vor ein paar Jahren zu interessieren, als es eine große Demonstration gegen die stereotypische Darstellung der Roma in einem Dokumentarfilm gab.

Die Roma protestieren dagegen, dass die Filmindustrie von ihrem Elend profitiere, und dass sie ständig nur in Armut gezeigt werden, in allen Darstellungen aber Erfolge ausgespart werden, erzählt Suzana Milevska. Sie begann sich mit der Roma-Kultur zu beschäftigen und mit Roma-Künstlern zu arbeiten. Letztes Jahr kuratierte sie im Rahmen der Wiener Festwochen die Ausstellung "Roma-Protokoll" im österreichischen Parlament. Selbst ihre Kollegen, international tätige Kuratoren und Kunsttheoretiker, die sich mit anderen Minderheitenfragen beschäftigen, sind vor Vorurteilen nicht gefeit, sagt Milevska.

Als Preisträgerin des Igor-Zabel-Preises konnte Suzana Milevska einen von drei Förderpreisen vergeben. Sie wählte die Organisation "European Roma Cultural Foundation", eine Organisation mit Sitz in Budapest, die sich für die Stärkung und Verbreitung von Roma-Kultur abseits von Klischees einsetzt.

In Sachen Kultur keine Minderheit

Gegründet wurde die European Roma Cultural Foundation von der Kunsthistorikerin und Aktivistin Timea Junghaus. In ihrem Vortrag berichtete sie etwa, dass allein in Ungarn und Rumänien über 15.000 Kunstwerke von Roma-Künstlern in staatlichen Sammlungen schlummern. Kein einziges Werk werde öffentlich ausgestellt, veranschaulicht Timea Junghaus die Exklusion von Roma-Künstlern aus kulturellen Institutionen. Angesichts der Angriffe und Anschläge auf Roma in ihrem Land, Ungarn, wird diese Volksgruppe kaum mit Gegenwartskunst in Verbindung gebracht.

Die European Roma Cultural Foundation bietet auch Schulungen an. Tatsächlich gibt es - abseits der Kunst - Bedarf, sich mit neuen Medien zu beschäftigen, etwa um sich zu organisieren und Informationen auszutauschen, wenn rechte paramilitärische Marschgruppen Übergriffe planen, sagt Junghaus. Timea Junghaus plädiert dafür, Roma nicht ständig nur als Opfer zu sehen und darzustellen. Es gibt eine reichhaltige Kulturproduktion abseits der Klischees - also etwa Hiphop-Gruppen oder Videokünstler -, die es in das europäische Kulturleben zu integrieren gilt. Daran arbeitet auch Suzana Milevska.

Suzana Milevska spricht sich dagegen aus, die Roma im Kulturbetrieb als Minderheit zu stigmatisieren. Es sollte normal sein, dass sie an Ausstellungen teilnehmen, die ganz anderen Themen gewidmet sind, ebenso wie sie sich selbst ja auch nicht ausschließlich mit ihrer kulturellen Identität beschäftigen. Dass ihr Engagement Früchte trägt, so Milevska, habe sie daran gemerkt, dass sie nach der prominent besuchten Preisverleihung von einigen Kuratoren um Empfehlungen für junge Künstler gebeten wurde.