Jimi Hendrix wäre heute 70

Als Hendrix 1970 auf dem Höhepunkt seiner Karriere starb, galt er als bestbezahlter Rockstar der Welt. Doch was bleibt vom Mythos "Hendrix" in seiner Heimatstadt Seattle? Nicht zuletzt touristische Vereinnahmung.

Ein monumentales Grabmal

Auf dem Greenwood Cemetery in Seattle, US-Bundesstaat Washington, steht das Hendrix Memorial. "Lange Zeit lag Jimi in einem bescheidenen Grab, bis sich seine Familie für eine angemessenere Ruhestätte entschied", erzählt Carla DeSantis. Sie ist um die Fünfzig und zählt nicht mehr zur Hendrix-Erlebnisgeneration, aber ist gelernte Fremdenführerin in Sachen Rockgeschichte und kennt die Musikszene Seattles wie ihre Handtasche.

Greenwood Cemetery sei zu einer Pilgerstätte geworden, sagt Carla und lächelt dabei. Für die Rockfans aus aller Welt ist das Grab heiliger Boden. Die letzte Ruhestätte entpuppt sich als plumpes Monstrum aus Granit, das die Hendrix-Fangemeinde in Aufruhr versetzt. "Viel zu wuchtig", kommentiert Carla scharf, "irgendwie eine Nummer zu groß." Vierzig Jahre nach seinem Tod zerfleischen sich die Erben noch immer bei der Aufteilung seines Vermögens.

Streitereien um Hendrix-Andenken

Jimi Hendrix und Seattle war keine Liebe auf den ersten Blick. Als Anfang der 1980er Jahre in Seattle ein Denkmal zu Ehren von Hendrix errichtet werden sollte, schlugen die Wogen hoch- es war die Zeit der "Just say no"-Antidrogen-Kampagne. Einen schwarzen, drogensüchtigen Rockstar öffentlich zu ehren, einen, der Amerika liebte, aber die Regierung und den Vietnam-Krieg vehement ablehnte, das hatte damals keine Chance auf Erfolg.

Die Fans und die besorgten Stadtvertreter einigten sich auf einen bizarren Kompromiss: Im Woodland Park Zoo von Seattle wurde eine kleine Gedenktafel angebracht. Im Löwengehege prangt an einem für die kälteempfindlichen Großwildkatzen künstlich beheizten Felsen ein goldener Metallstern zu Ehren von Jimi Hendrix. Dieser beheizte Stein des Anstoßes wurde 1983 eingeweiht und blieb bis 2002 die einzige offizielle Gedenkstätte.

Städtische Musikförderung

"Seattle tut sich schwer mit der Tatsache, dass Jimi Hendrix an einer Überdosis starb. Drogen und das ganze kriminelle Umfeld gehören irgendwie zum Rock'n'Roll. Das lief nicht immer glücklich ab", sagt James Keblas. Der dynamische Endzwangziger ist zuständig für Musik- und Filmförderung.

Mittlerweile hat Seattle die Bedeutung des Rock'n'Roll und vor allem von Jimi Hendrix als wichtigen Wirtschaftszweig erkannt. Sogar eine eigene Behörde wurde dafür gegründet: Das Seattle Film and Music Office. Keblas ist ihr Direktor.

Hendrix-Andenken-Industrie

Trotz der Wirtschaftskrise versteht es die Stadt, Kapital aus ihrem großen Sohn zu schlagen. Musikindustrie, Politik und Tourismus gehen Hand in Hand. Es gibt die üblichen Jimi-Hendrix-Andenken: Kaffeetassen mit seinem Konterfei, T-Shirts mit seinem Namenszug und Stadtrundfahrten zu seinen Wirkungsstätten.

Keblas kritisiert, dass Seattle noch immer keine Straße nach seinem großen Sohn benannt hat. Lediglich eine kleine Bronzestatue am Broadway, Ecke East Pine Street gibt es, natürlich mit Hendrix in wilder Rock'n'Roll-Pose: auf einem Granitstein kniend, mit der Gitarre in der rechten Hand, Afrolook und Stirnband, das Hemd über die Brust geöffnet, ekstatisch singend, ein zu Metall gewordenes Klischee.

Rassentrennung in den Clubs

In den Music Clubs Downtown hatte Hendrix seine ersten Konzerte gegeben, zum Beispiel im "Black Elks Club", erzählt Stadtführerin Lucy Wilma von der Subseattle Tour, die Touristen die Musikmetropole Seattle zeigt: "Damals herrschte in der Musikergewerkschaft Rassentrennung, was dazu führte, dass die Schwarzen nur in ihren Clubs spielten. Dass sich die Musikergewerkschaften nach Rassen trennten, ist ungeheuerlich, förderte aber auch ein enorm kreatives Potential." Heute hängt hier in der South Jackson Street nicht einmal eine Plakette, die an den Club und Jimi Hendrix erinnert.

Futuristisches Musikmuseum

Die Subseattle Tour geht weiter, vorbei an dem ehemaligen Musikgeschäft, in dem Jimi Hendrix seine erste E-Gitarre kaufte. Schließlich hält der Bus vor einem futuristisch kolossalen Gebäude, dem "Experience Music Project", entworfen von Stararchitekt Frank O. Gehry. Microsoft-Milliardär Paul Allen hatte im Jahr 2000 das 280 Millionen Dollar teure Museum zu Ehren von Jimi Hendrix bauen lassen.

"Wir sind überhaupt kein traditionelles Museum", erklärt Jacob McMurray, "wir bieten interaktives Material!" Der 37-Jährige mit Hipster-Hut und Hornbrille arbeitet als Museumskurator. Alles in dem Gebäude ist multimedial. Es gibt eine Menge Kuriositäten und Sammlerstücke zu bestaunen. Hier findet man die alten Plattencover von Hendrix und sogar einige seiner Gitarren.

8.000 Jimi Hendrix - Devotionalien gibt es zu sehen, zum Beispiel den Originalflyer von seinem letzten Konzert auf der Insel Fehmarn bevor Hendrix 12 Tage danach am 18. September 1970 unter bis heute ungeklärten Umständen starb.

Kein Gott

"Jimi Hendrix war kein Gott", resümiert McMurray, "keine mythisch überhöhte Figur. Hendrix hatte enorm viel Talent und ähnliche Träume, Hoffnungen und Sehnsüchte wie wir alle. Wenn ich das den Besuchern hier vermitteln kann, habe ich einen guten Job gemacht."

Service

Klaus Theweleit/Rainer Höltschl, "Jimi Hendrix. Eine Biographie", Verlag Rowohlt Berlin.

Rowohlt - Jimi-Hendrix-Biographie
Experience Music Project - Science Fiction Museum

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