Neue Tolstoi-Verfilmung "Anna Karenina"
Für manche Literatur-Experten gilt Leo Tolstois "Anna Karenina" als bester Roman der Weltliteratur. Jetzt legt der Brite Joe Wright, bekannt für sein Historienepos "Abbitte", eine Neuverfilmung mit Keira Knightley und Jude Law vor. Das Drehbuch stammt vom oscarprämierten Dramatiker Tom Stoppard.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 3.12.2012
Die sage und schreibe zwölfte Filmadaption von Leo Tolstois 1.200 Seiten starkem Roman liefert Joe Wright mit seiner "Anna Karenina" ab. Leinwandikonen wie Greta Garbo und Vivien Leigh waren bereits in die Rolle der jungen russischen Adeligen geschlüpft. Jetzt ist es Keira Knightley, die sich über alle gesellschaftlichen Konventionen hinweg in Graf Wronskij verliebt.
Geschehen auf einer Theaterbühne
Der russische Adel orientierte sich damals im 19. Jahrhundert an Frankreich, und Sankt Petersburg und Moskau wetteiferten darum, zum "Paris des Ostens" zu werden. Um die Oberflächlichkeit und Dekadenz dieser Gesellschaft zu zeigen, verlegte Regisseur Joe Wright das Geschehen in einen künstlichen Bühnenraum: "Wir bauten diese Theaterbühne aus dem 19. Jahrhundert nach und sie wurde wirklich zu diesem magischen Raum, den ich nach Belieben gestalten konnte. In einer Szene machten wir ein Restaurant daraus und in der nächsten ein großes Büro mit einer langen Reihe an Schreibtischen mit fast mechanisch arbeitenden Bürodienern, die im Akkord Akten abstempelten."
Jude Law ist hier ausnahmsweise nicht als Verführer, sondern als gehörnter Ehemann zu sehen. Als steifer Bürokrat verkörpert er mit fast priesterlicher Strenge den heuchlerischen Ehrenkodex der damaligen russischen High Society.
Schwülstig und langatmig
Mit der Figur des Levin hat Tolstoi in seinem Roman einen Außenseiter geschaffen, der der dekadenten Moskauer Gesellschaft den Spiegel vorhält. Regisseur Joe Wright hat versucht, diese Gegenposition auch visuell klar hervor zu streichen: "Levin kehrt dieser oberflächlichen Gesellschaft den Rücken und sucht nach einem authentischen Leben. Ihn habe ich deshalb auch außerhalb dieser künstlichen Bühnenkulisse gezeigt, auf einem Bauernhof und im Freien, auf den weiten russischen Feldern. Diese Szenen besitzen deshalb auch eine andere Realität."
So interessant sich Joe Wrights Konzept anhört, so wenig geht es allerdings auf. Statt die Künstlichkeit der Gesellschaft anzuprangern, versinkt er viel mehr in ihr. Anna Kareninas Liebe, eingeklemmt zwischen schwülstiger Langatmigkeit und einem banalen Operettenhumor lässt deshalb auch ziemlich kalt. Dazu kommt, dass Graf Wronskij, mit blonden Löckchen und zartem Schnauzer, wie die Persiflage eines Liebhabers daherkommt. Wie auch im Roman nimmt sich Anna Karenina am Filmende das Leben, nur scheinen die Gründe dieses Mal andere gewesen zu sein.