Ziemlich beste Freunde unterwegs

"Ziemlich beste Freunde", ein französischer Film, der zeigt, dass man auch mit Entsetzen erfolgreich Scherz treiben kann, war einer der großen Überraschungserfolge der letzten Zeit. Die Verfilmung einer wahren Geschichte um einen schwerbehinderten Millionär und einen kleinen Gauner, der zu seinem Pfleger und Freund wird, hat Millionen Menschen bewegt.

Kulturjournal, 04.12.2012

Mit der Kinosensation des Jahres wurden die beiden berühmt, und das Etikett "Ziemlich beste Freunde" klebt jetzt fest an ihnen. Die Geschichte vom kleinen Ganoven und dem nach einem Unfall schwerbehinderten Millionär, der ihn wider jedes Erwarten als Pfleger anstellt, hat viele zu Lach- und Heultränen gerührt.

Die echten ziemlich besten Freunde sind derzeit gemeinsam auf Tour, mit einem ganz konkreten Anliegen: Es geht um Verständnis, um ein Buch, das Philippe Pozzo di Borgo zum Hauptautor hat und in dem es vor allem darum geht, wie die Gesellschaft Menschen begegnet, die nicht so recht zu ihr passen wollen. Produktivität ist heute mehr denn je das Maß jeder menschlichen Leistung - Philippe Pozzo di Borgo hat auch so gedacht als hochbezahlter Industriemanager und Abenteuersportler, der beim Gleitschirmfliegen einen Unfall erlitt und seither vom Hals abwärts gelähmt ist. Jetzt denkt er anders und teilt das auch mit:

"Ich war verblüfft über den Erfolg des Films, und ich habe angefangen, mir Fragen zu stellen, Warum hat der Film den Menschen so gefallen? Ich glaube, alle spüren, dass sie verletzlich sind, aber keiner will es sich eingestehen. Jetzt sehen sie da zwei Leute, der eine ist körperlich behindert und der andere in sozialer Hinsicht, und sie finden trotzdem zu einem lustvollen Leben. Das neue Buch sagt: nehmt es leicht, wir sind alle verletzlich, aber gerade darin liegt auch eine enorme Stärke."

Keine Angst vor Behinderten!

Abdel Sellou, der Mann, der an der Seite von Philippe Pozzo di Borgo zu einem neuen Leben gefunden hat, meint heute, die Begegnung mit seinem Schützling sei das Beste gewesen, das ihm im Leben widerfahren sei, und bald, so meint er, hätte er ohnehin nicht gewusst, wer von beiden eigentlich als der Behinderte gelten soll. Da liegt die Frage im Raum, was die Mitmenschen üblicherweise falsch machen, wenn sie Menschen mit Behinderung begegnen. Abdel Sellou sagt es klipp und klar: Angst zu haben, das sei das Schlimmste. Wer Angst vor anderen hat, zeigt damit, dass er Angst hat vor sich selbst.

Mit dabei bei der Buchvorstellung in Berlin ist auch Andy Holzer aus Osttirol, ein Mann, der blind und Extrembergsteiger ist, paradoxe beste Freunde in einer Person. Wenn es um das Verhältnis von Menschen mit Behinderung und anderen geht, so sieht er auch seine Seite in der Pflicht.

"Ziemlich verletzlich, ziemlich stark" ist der Titel des Sachbuches, mit dem Philippe Pozzo di Borgo um Verständnis wirbt. Noch klaffen Wunsch und Wirklichkeit bei diesem seinem Thema stark auseinander, aber er präsentiert zumindest einen Ansatz zur kritischen Reflexion.