Tschetschenen-Abschiebung: Offene Fragen
Nach der Verhaftung eines Tschetschenen, der vergangene Woche aus Österreich nach Moskau abgeschoben wurde und seither verschwunden ist, werden die Vorwürfe gegen die österreichischen Behörden lauter. Der Asylgerichtshof hätte prüfen müssen, was hinter dem russischen Haftbefehl wegen eines angeblichen Kfz-Diebstahls steckt, kritisieren die Rechtsvertreter des Mannes. Und es gibt auch noch drei Kinder der Familie, die weiter in Österreich sind.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 5.12.2012
Psychologische Gutachten ohne Psychologen
Noch immer ist der 47jährige Tschetschene verschwunden, und die Probleme haben schon im Asylverfahren angefangen, sagt sein Rechtsvertreter Tim Ausserhuber. Die Familie hat angegeben, dass sie verfolgt wird, unterschiedliche Gutachter kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Begutachtungen würden 20 Minuten dauern. In der Erstaufnahmestelle in Traiskirchen würden psychologische Gutachter arbeiten, die gar keine Psychologen seien, sondern Allgemeinärzte. Diese würden psychologische Befunde erstellen und etwa Depressionen feststellen, aber keine posttraumatischen Störungen. Damit sei das Asylverfahren negativ abgeschlossen gewesen.
Anträge ignoriert
Nach diesem negativen Verfahren wurde im Jänner dieses Jahres bekannt: es gibt einen russischen Haftbefehl, der Mann soll ein Auto gestohlen haben. Sein Rechtsberater stellt einen Antrag, dass das Asylverfahren wieder aufgenommen wird. Begründung: dieser Haftbefehl sei nur vorgeschoben, der Mann sei in Russland nicht sicher. Der Antrag wäre monatelang bei der Asylbehörde gelegen und ignoriert.
Und weil der Antrag keine aufschiebende Wirkung hat, wurden der Mann, seine Frau und zwei minderjährige Kinder abgeschoben.
Genaue Prüfungen nötig
Ein Haftbefehl im Herkunftsland kann grundsätzlich eine Abschiebung nicht verhindern, sagt Menschenrechtsexperte Manfred Nowak, aber gerade bei Tschetschenen müsse man besonders sorgfältig prüfen. Direkt vor der Abschiebung müssten nochmals alle Fakten angesehen und eine Risikoeinschätzung vorgenommen werden, ob im Abschiebungsland schwere Menschenrechtsverletzungen passieren könnten.
Kinder noch in Österrreich
Dazu kommt: drei bereits volljährige Kinder der Familie sind noch in Österreich. Das Asylverfahren des Sohnes ist noch offen, die beiden Töchter stehen auch kurz vor der Abschiebung. Der Wiederaufnahmeantrag sollte rasch bearbeitet werden. Beantragt werde, dass der erreichbare Teil der Familie nach Österreich zurückkehren dürfe. Und dass herausgefunden werden müsse, wo der inhaftierte Mann sei, sagt Ausserhunber.
Der Asylgerichtshof hat sich bisher zu dem Fall nicht geäußert, und auch aus dem Innenministerium heißt es: wir kommentieren Einzelfälle nicht.