Architekturkritik an Wiener Hauptbahnhof

Am Sonntag wird der erste Teil des neuen Wiener Hauptbahnhofes in Betrieb genommen und eine neue Ära für den Zugverkehr in Österreich kann beginnen. Das neue Bahnhofsareal mit 109 Hektar Größe soll auch gleich als neuer Stadtteil mit 5.000 neuen Wohnungen und 550.000 Büroflächen für etwa 30.000 Menschen entwickelt werden. Stadtplanerisch gibt es da einige Kritikpunkte.

Mittagsjournal, 7.12.2012

Hinter vorgehaltener Hand wurde es als Schildbürgerstreich bezeichnet, dass der neue Hauptbahnhof nicht direkt an das U-Bahnnetz angeschlossen ist. Die von Verkehrsplaner Hermann Knoflacher geforderte Verlängerung der U2 kommt nicht und der Weg zur U1-Station Südtiroler Platz ist zu weit, wie der Rechnungshof und EU-Verkehrsplaner kritisieren. Den Bahnhof mit einer Standseilbahn an das U-Bahnnetz anzubinden, wurde schließlich aus Kostengründen fallen gelassen. Der für den Masterplan verantwortliche Architekt Albert Wimmer sagt, es handle sich um nicht mehr als 330 Meter vom Bahnsteig zur U1.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die zu hohe Bebauungsdichte. Der Stadtplaner Reinhard Seiß hat schon mit seinem Buch "Wer baut Wien" hintergründige Machenschaften im Baugeschäft aufgedeckt und sagt jetzt zum Hauptbahnhofareal, dass zu dicht gebaut werde. Ein Zuviel an Geschäftsflächen, kritisiert Seiß, das könnte bedrohlich für den Einzelhandel in der nahe gelegenen Favoritenstraße werden und ein Zuwenig an öffentlichem Raum zwischen Wohnbauten und Büros. Er bemängelt, dass es für das Areal nie einen Wettbewerb für die Gestaltung der öffentlichen Flächen gab.

Zumindest architektonisch verspricht der neue Stadtteil mehr Qualität: Schon 2014 soll die ÖBB-Konzernzentrale ein elegantes Hochhaus - entworfen von Zechner & Zechner - eröffnet werden. 2015 folgt das eher niedrig gehaltene Headquarter der Erste Bank von Henke & Schreieck, das aus mehreren organisch geschwungenen Gebäudeteilen besteht. Durch die Lage direkt am Schweizer Garten wird es zumindest den Blick auf viel Grün freigeben.

Der Erste-Campus für etwa 4.500 Mitarbeiter soll bis 2016 fertig gestellt werden. Weitere Gebäudekomplexe, entworfen von Renzo Piano, Rüdiger Lainer und Jabornegg & Palffy, werden folgen. Bis 2019 soll die Architektur des gesamten Stadtteils fertig sein.