EU-Parlament debattiert über EU-Umbau
Noch sind die Visionen der Nobelpreisverleihung nicht verhallt, da hat der Alltag die EU wieder. Der morgen beginnende EU-Gipfel war eigentlich als wegweisend gedacht war für nächsten Jahre. Aber immer mehr Entscheidungen werden verschoben in Europa. Schon taucht die Frage auf, auf die EU eigentlich ohne den Druck der akuten Krise wirklich weiterkommen kann. Darüber diskutiert heute in Strassburg das Europaparlament.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 12.12.2012
Krise ist nicht vorbei
Noch vor Ende des Jahres wollten die Staats- und Regierungschefs einen Umbauplan beschließen, der die Konstruktionsfehler der EU behebt, die in der Finanzkrise zu Tage getreten sind. Doch von der Dringlichkeit früherer Monate ist vor dem morgen beginnenden EU-Gipfel nur wenig zu spüren.
Dass Frankreichs Präsident Francois Hollande, einer der großen Player in der EU, gar gemeint hat, die Krise sei gelöst, empört den liberalen Fraktionschef, Guy Verhofstadt: Welche Krise soll vorbei sein? Die Krise ist nicht vorbei. Nicht ökonomisch, nicht sozial. Auch nicht finanziell. Die gefürchteten Spreads, die Zinsunterschiede im Euroraum steigen wieder. Für Spanien, für Portugal, für Irland, um von Italien gar nicht zu reden. Wenn der morgige Gipfel entscheidungsschwach bleibt, dann sollte man ihn besser absagen, geißelt der belgische Liberale Verhofstadt die Verzögerungstaktik der EU-Regierungen.
Reformtempo gebremst
Dem sozialdemokratischen Fraktionschef Hannes Swoboda ist die soziale Dimension viel zu schwach in den aktuellen Visionen für Europa. Nicht weniger Geld brauche der europäische Sozialfonds, sondern mehr, um die Probleme zu lösen.
Tatsächlich ist das Reformtempo zurückgegangen in der EU, seit der akute Druck der Eurokrise nachlässt. Aber der mehrjährige Fahrplan, den die Staats- und Regierungschefs morgen diskutieren werden, geht doch beträchtlich über den bisherigen Konsens hinaus. Erstmals schlägt die Europäische Kommission in aller Form einen eigenen Weg für die 17 Eurostaaten vor. Ein eigenes Budget für die Eurostaaten ist einer dieser Eckpunkte für die Zukunft.
Die Europaabgeordneten des Euroraums könnten separat zusammenkommen, vielleicht in einer gemeinsamen Kammer mit Delegierten der Nationalen Parlamente. Es ist ein Weg in Richtung einer Föderation von eng verbundenen Eurostaaten als Kern einer größeren und lockerer gestalteten EU. Die Prinzipien des geplanten Umbaus skizziert Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso als Kombination von Disziplin und Solidarität: Disziplin und Verantwortungsbewusstsein müssten Hand in Hand gehen mit Solidarität und wirtschaftlichem Zusammenwachsen. Wir brauchen beides. Disziplin und Solidarität. Nach 2014, wenn die nächsten Europawahlen geschlagen sind, könnten die Verfahren einsetzen, um den EU-Vertrag zu verändern.
Berlusconi ante portas
Gegen rasche Entscheidungen beim morgigen EU-Gipfel sprechen innenpolitische Zwänge in wichtigen Mitgliedsstaaten: Deutschlands Kanzlerin steht wegen der Bundestagwahlen im nächsten Jahr auf der Bremse. Großbritanniens David Cameron will sowieso eher weniger als mehr Europa. Dass Italien mit dem neuen Anlauf von Ex-Premier Silvio Berlusconi wieder zum Unsicherheitsfaktor wird, erinnert jedoch alle Beteiligten daran, dass die Europäer nicht allzu viel Zeit haben, die Lehren aus der Krise zu ziehen.