Annet Gröschner reist gemütlich

Mit der Linie 4 um die Welt

Nicht klassische Touristenrouten, sondern die Fahrpläne der Linie 4 haben Anett Gröschner durch Amsterdam, Alexandria, Wien, Zürich, Shanghai und viele andere Städte geführt - für die deutsche Journalistin und Autorin der beste Weg, um fremde Orte kennenzulernen. Erschienen sind die Reisereportagen jetzt unter dem Titel "Mit der Linie 4 um die Welt".

"Tageskarte, 4 Euro. Entwertung durch den Fahrer/Schaffner, gültig am Tag der Entwertung auf Straßenbahn (Linie 4) und Stadtbus (Linien 1 und 3)" heißt es auf der Naumburger Fahrkarte, die Anett Gröschner am 12. Mai 2012 einlöst. "Wilde Zicke" wurden die ersten Dampfstraßenbahnen im deutschen Naumburg angeblich genannt, etwas sanfter beschreibt Gröschner ihr Bild der Tram.

Die 4 muss es sein

Warum Gröschner nur mit der Nummer 4 fährt? Aus Sentimentalität. 4 ist die Linie ihrer Kindheit, die erste Straßenbahn in Magdeburg, mit der Gröschner die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt entlang der Elbe erkundet.

Gröschner schreibt über die Straßenbahn in Minsk, die dort die Innenstadt mit ihren Stalin-Bauten umrundet. Über die öffentlichen Verkehrsmittel in Shangai, wo es über tausend Buslinien gibt und die Linie mit der Nummer 4 - für Chinesen eine Unglückszahl - am Rand eines Innenstadtbezirks verkehrt. Gröschner erzählt von der kürzesten und nur sechs Kilometer langen Linie 4 in Amsterdam, in der die Schaffner in neuen Niederflurbahnen in einer Glaskuppel sitzen. Und sie erzählt vom ältesten und einzigen Straßenbahnnetz in Afrika, von den Schienen in Alexandria. Dort gilt zu beachten: Fahrpläne sind sinnlos und die ersten beiden Wagen sind für Frauen reserviert.

Gefährliches Berlin

Gröschner erkundet den asiatischen Teil Istanbuls, sogar in der lauten Millionenmetropole schreibt die Autorin in leisem Ton über die rivalisierenden Fußballclubs Galatasary und Fenerbahce, an dessen Stadion die Nummer 4 vorbeifährt und teilweise so sehr durch den Verkehr schleicht, dass man den Frauen beim Einkaufen zusehen kann. Rasanter geht es in Berlin an der Linie 4 zu.

Nicht zum Bus rennen - so lautet hingegen Paragraf 1 der Beförderungsbestimmungen der Manhattaner Busunternehmen. Das klassisch mürrische "Aussteigen lassen" wird man in Manhattan auch nicht auf Englisch hören, denn die Wartenden bilden geduldig eine ordentliche Schlange vor der Eingangstür, wenn der Bus in die Station einbiegt.

Eine Bekannte der Autorin erzählt eine nicht alltägliche Anekdote zur Manhattaner Buslinie M4.

Wien zu kurz gekommen

Ein bisschen kurz geraten ist das Kapitel über die Linie 4A in Wien, die Autobuslinie, die zwischen Wittelsbachgasse und Karlsplatz verkehrt, man wünscht sich eine Straßenbahnlinie 4, denn Wien hat mehr als die klassische "Dritte Mann"-Anekdote zu erzählen. Bis auf den Namen der Station "Rasumofskygasse" findet Gröschner wenig Gefallen an dem, was aus der Linie 4 an ihr vorbei zieht.

"Mit der Linie 4 um die Welt" liefert eine Mischung aus historischen Erzählungen und subjektiven Momentaufnahmen. Während des Lesens glaubt man den Verkehrslärm der verschiedenen 4er-Linien hören zu können, das laute Straßenbahnbimmeln, das Anfahren der Busse, das Rattern des Fahrscheinautomaten und die Gespräche der Fahrgäste, die sich zu einem Einheitsmurmeln verdichten. Trotz Geräuschkulisse ein ruhiges poetisches Reisetagebuch, das Fernweh weckt.

Service

Annet Gröschner, "Mit der Linie 4 um die Welt", Deutsche Verlags Anstalt

DVA - Mit der Linie 4 um die Welt

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