Bibelkommentar zu Lukas 3, 10 - 18
Vor einigen Monaten war Josef Schultes mit einer Reisegruppe aus Kärnten unterwegs, und zwar in Bulgarien.
8. April 2017, 21:58
Besonders die Klöster dieses Landes haben mich tief beeindruckt: Trojan, Batschkovo und natürlich Rila, um die bedeutendsten zu nennen. Mit Vesko Valkov hatten wir einen historisch wie theologisch äußerst versierten Reiseführer durch seine Heimat. Behutsam hat er uns in die Orthodoxie und ihre Spiritualität eingeführt.
Immer wieder sind wir miteinander vor der Ikonostase gestanden. Diese Bilderwand der Ostkirche trennt den Altarraum vom übrigen Kirchenschiff, wo die Gläubigen stehen. Bald wurde uns klar, dass zum „Pflichtprogramm“ der Ikonostase ein Bild von Johannes dem Täufer gehört. Byzantinische und orthodoxe Ikonen zeigen Johannes aber selten als Täufer, sondern meist als „Prodromos“, als Vorläufer Jesu. An Attributen hält er den Kreuzesstab, oft auch das zweischneidige Schwert; stets aber ist sein abgetrenntes Haupt mit Schale abgebildet, der Art seines Todes entsprechend.
Was uns verwundert hat: Die Ikonen zeigen Johannes fast ausschließlich mit Flügeln, als „Engel der Wüste“. Die Flügel beziehen sich wohl auf Worte des Propheten Maleachi, wo es im Alten, besser gesagt, im Ersten Testament heißt: „Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, den ihr herbeiwünscht.“ (Mal 3,1)
Da meine „erste Liebe“ dem Ersten Testament gehört, entdecke ich es auf Ikonen, aber erst recht in vielen Sätzen der Evangelien. Und je genauer ich bei Lukas nachlese, desto mehr fasziniert mich sein Schaffen. „An Johannes, den Sohn des Zacharias“ – heißt es da kurz, aber höchst bedeutsam – „erging das Wort Gottes“ (V.2). Immer schon „erging das Wort des Herrn“: im Ersten Testament etwa an Hosea, Joel und Jona, an Elija, Jeremia und Ezechiel. Wie sie wird auch Johannes – was nur bei Lukas zu finden ist – als Prophet berufen. Dann erst wirkt er am Jordan, wie einst auch Elija, der „Mann aus Feuer“. In dieser „Propheten-Gegend“ verkündigt er „baptisma metanoias: eine Taufe des Umdenkens, der Sinnesänderung zur Vergebung der Sünden“ (V.3).
Was Johannes für mich auszeichnet? Dass er selber tut, was er andere lehrt. Metanoia: Wie er sie kennt, die Wende im eigenen Leben, die Umkehr! Johannes, der Priestersohn, verzichtet auf eine sichere Karriere im Tempel. Ein Leben lang nur Lämmer schlachten und Fett verbrennen: Uralt-Rituale zu wessen Ehre? „Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben“, rief schon der Prophet Amos im Namen JHWHs aus. „Weg mit dem Geplärre eurer Lieder! Vielmehr ströme das Recht wie Wasser, eure Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ (Am 5, 22 - 24)
Johannes und die Wüste: Er muss weg von der Stadt, die mit ihrem Lärm und ihrer Hektik das Be-Sinnen erschwert. Johannes geht dorthin, wo er Hunger und Durst bekommt und voller Sehnsucht wird. Und er erlebt, was unzählige Gott-Sucher aller religiösen Strömungen seit ewigen Zeiten erleben: Entbehrung und Stille lassen etwas wachsen, das offen macht für die eigene Mitte, offen für Wesentliches. Die Wüste macht ihn fähig, den Ruf Gottes zu vernehmen, sein Wegweiser zu werden für die, die noch Fragen haben.
Johannes und der Jordan: Wo er tauft, quert eine alte Handelsstraße den Flusslauf. Täglich dichter Personen- und Handelsverkehr, durch Furten oder auf Booten. „Hier konnte Johannes allen jenen Juden kräftig ins Gewissen reden“, schreibt der Qumran-Fachmann Hartmut Stegemann, „die er am Sabbat auf Handelsreisen ertappte, die als Zöllner an der Landesgrenze mehr verlangten, als ihnen rechtlich zustand, oder die als Soldaten auf persönliche Bereicherung bei Militäraktionen im Nachbarland erpicht waren.“
Johannes und der Jordan: Vermutlich zwischen Jericho, Qumran und dem Berg Nebo, in diesem „Täufer-Dreieck“, verbringt er sein Leben. Dort, im Wadi Al-Kharrar, haben Archäologen bei Ausgrabungen im Jahr 1996 eine sensationelle Entdeckung gemacht: Fundamente einer Kirche aus dem 4. Jh., also byzantinisch, dem Gedächtnis der Taufe Jesu geweiht.
Johannes und Jesus: Der eine, Johannes, tauft mit Wasser, dem Symbol der Reinigung und der Klärung. Der andere, Jesus, wird mit Heiligem Geist getauft, mit jenem Feuer also, das Licht bringt und verwandelt, zunächst ihn selbst und dann die anderen.
Am heutigen Sonntag- in der katholischen Tradition der Sonntag „Gaudete“ - möchte ich noch des Bibelwissenschaftlers und Weihbischofs Alois Stöger gedenken. Seiner Freude am Wort Gottes verdanke ich viel von meiner eigenen Begeisterung für die Bibel. Vor 13 Jahren ist Bischof Stöger verstorben. Am Sonntag „Gaudete“...