Bibelkommentar zu Lukas 1, 39 - 45

Im Evangelium wird eine Frauengeschichte erzählt. Da ist die eine, die ältere Frau, Elisabeth - ihr Name bedeutet: „Gott hat einen Eid gegeben“, Gott hat versprochen, sein Volk, Jüdinnen und Juden - und mit Christus Jesus auch Nicht-Juden - nie im Stich zu lassen...

Für Elisabeth muss ihr Name manchmal wie Hohn getönt haben. Schon lange, so heißt es davor im Text, wartet sie auf ein Kind, hofft und wagt nicht mehr zu hoffen, um sich die allmonatliche Anspannung und die Enttäuschung zu ersparen. Mit der Zeit hat Elisabeth wohl erfahren, dass sie weniger Enttäuschung spürt, wenn sie sich abfindet. Manche kennen das auch: Ich bin weniger verletzbar, wenn ich mir nichts mehr erwarte. Dann kann ich wenigstens nicht enttäuscht werden.

Aber – Elisabeth erlebt Veränderung. Sie erlebt, dass sie schwanger wird, dass aus ihrer Enttäuschung heraus neues Leben entsteht. Es gibt sie noch, diese Geschichten vom unerwartet guten Ausgang. Die Bibel nennt sie meist „Wunder“.

Und da ist Maria, Mirjam, die junge, wohl zu junge Frau, noch ohne Mann lebend. Auch sie lässt sich ein auf eine Veränderung, sie sagt Ja zu ihrem Kind und sagt damit auch Ja zu ihrem ganz eigenen Weg, abseits der damals herrschenden Normen.

Und dann sind wir beim Evangelium, wie es am vierten Adventsonntag in den römisch-katholischen Kirchen verkündet wird - Frohbotschaft im wörtlichen Sinn: „Mit Eile“ - so sagt Lukas, geht die junge Frau Maria zur älteren Frau, zur Verbündeten, zu einer, die versteht, was hoffen heißt und sich einlassen; zu einer, die versteht, welche Hoffnung und welche Freude im Neubeginn liegen, aber auch welche Unsicherheit und Angst. Beide Frauen, so vermute ich, wissen noch nicht, wie es wirklich werden wird, was auf sie zukommt. Aber beide wissen: Wir haben uns nicht abgefunden mit dem, wie halt das Leben nun einmal geht. Wir haben uns auf Neues eingelassen...

Lukas deutet das Verhältnis zwischen den beiden Müttern wie auch zwischen den beiden Kindern. Elisabeth und ihr Kind, Johannes der Täufer wird es später genannt werden, haben Bedeutung, sie sind zugleich ausgerichtet und weisen auf Maria und ihren Sohn Jesus hin. Lukas gibt mit dieser Zusammenfügung der Erzählungen auch eine Deutung: Jesus wird so hervorgehoben, ebenso wird das Verhältnis zwischen den Johannes-Jüngern und den Jesus-Jüngern zugunsten der Anhänger Jesu geklärt. So wird in diesem Abschnitt bereits theologisches Verstehen und Nachdenken sichtbar.

Erzählend nimmt der heutige Abschnitt aus dem Lukasevangelium die Erfahrungen von Aufbruch und Begegnung in den Mittelpunkt. Was die beiden Frauen erleben, bringt Lukas in den Worten nahe: Jubel und Freude, erfüllt und gesegnet. Hier wird „frohe Botschaft“ erzählt - eine Geschichte von Freundschaft und von erfüllter Hoffnung. Elisabeth und ihr Kind im Mutterleib jubeln, als sie Maria (und ihr Kind) sehen. Gott, so überliefert Lukas, Gott zeigt sich in der Freundin an der Seite, im Jubel der Freundin über das neue Leben. Dies gilt bis heute: Es hat mit Gott zu tun, wenn sich eine Freundin mitfreut über neues Leben in mir, über Gefühle, die lange tot waren in mir, über Freude, die ich lange nicht mehr zeigte, über Gedanken, die mir schon längst zu denken abgewöhnt wurden. Es hat mit Gott zu tun, wenn sich eine Freundin (es kann auch ein Freund sein) über alles mitfreut, was neu in mir wächst, auch wenn man es noch so wenig sehen kann wie eine Schwangerschaft in ihren ersten Wochen.

Ein Gott, der sich in der Begegnung zwischen zwei schwangeren Frauen zeigt - wie anders sind doch unsere Bilder von Gott, wie anders oft unser Reden von Gott. Es ist, denke ich, eine wunderschöne Szene im Neuen Testament: Am Anfang stehen zwei Frauen, die sich nicht abgefunden und angepasst haben, die beide - außerhalb der Norm - etwas Neues ermöglicht haben.