Krimi-Stories von Frank Bill

cold hard love

Indiana, ein US-amerikanischer Bundesstaat. Im Norden Michigan, im Süden Kentucky als Grenzen. 6,5 Millionen Einwohner, flächenmäßig um gut 10.000 Quadratkilometer größer als Österreich. Hauptstadt Indianapolis, weltweit bekannt für freizügigsten Öl-, Benzin- und Gummiverbrauch, jährlich Ende Mai. Nennen tut sich das Spektakel "Indy 500".

Ansonsten ist Indiana ein wenig urbanes Gebiet - so kann man es zumindest den diversen Recherchequellen entnehmen. Der Süden des Bundestaates, Southern Indiana, hat eine Kapitale namens Evansville mit gerade mal 120.00 Bewohnern.

Und dieses Süd-Indiana ist der Schauplatz einer Sammlung von Kurzgeschichten, mit der der dort ansässige Frank Bill, ein ehemaliger Lagerarbeiter und gelegentlicher Schreiber für Krimi-Magazine - so steht es zumindest in seinen eigenen biografischen Angaben - im vergangenen Jahr als Buchautor debütiert hat. Jetzt gibt es die deutsche Übersetzung dieser Geschichtensammlung.

Topografie des Bösen

Um es kurz zu machen: Von der Geschichte Nr. 1 bis zur Nr. 17 (so viele sind es insgesamt) entwirft und schildert der Autor eine Topografie der offenbar allgegenwärtigen, immer wiederkehrenden und damit alltäglichen Kriminalität. Hier geht es nicht um vagabundierende Serienkiller oder große Verschwörungen unter dem Deckmantel der organisierten Kriminalität, hier geht es um das, was diesen Landstrich und wohl auch andere prägt und quält: örtliche Verbrecher, die im Drogenhandel und in der Zuhälterei tätig sind; Inzest und Vergewaltigungen; versteckte Amphetaminlabore, also "Crystal-Meth-Küchen", deren Produkte dem gängigen Whiskey noch den nötigen "Über-Kick" verleihen; aus dem Irak und Afghanistan zurückgekehrte US-Soldaten, deren posttraumatische Belastungsstörungen in mörderischen Exzessen enden; illegale Hundekämpfe usw. usf.

Frank Bills Geschichtensammlung, "Stories" heißt sie ja im Untertitel, ist kein Kriminalroman im herkömmlichen Sinne, obwohl einzelne Figuren in diesen Geschichten immer wiederkehren. Wer genauer liest, wird hier auch eine Fülle von archaischen, um nicht zu sagen: alttestamentarischen Motiven entdecken. Was Stilistik und Sprache dieses Erstlings anbelangt, so gibt es hier mit Sicherheit noch Verbesserungsbedarf. Einiges kommt allzu roh und ungeschliffen daher. "Short cuts" sozusagen - allerdings nicht aus der Metropole, sondern aus einem trostlosen und gewalttätigen Landstrich, den man gemeinhin und wenig freundlich "redneck country" nennt.

Empfelhenswerte Neuentdeckung

Warum der Suhrkamp Verlag, in dem die deutsche Übersetzung - ausgeführt übrigens von einer erwiesenen Expertin im Krimi-Genre, Conny Lösch - erschienen ist, sich nicht am Originaltitel orientiert, sondern stattdessen den vermeintlichen Straßenfeger "cold hard love" gewählt hat, diese Frage lassen wir mal dahingestellt. Im Original trägt Frank Bills Geschichtensammlung den ebenso prosaischen wie zutreffenden Titel: "Crimes in Southhern Indiana". Und genau darum geht es in einem durchaus lesenswerten Band von Kriminalgeschichten.

Fazit: Eine der seltenen Neuentdeckungen im "hard-boiled"-Genre. Auf weitere Stories oder Romane Frank Bills kann man gespannt sein.

Service

Frank Bill, "cold hard love. Stories", aus dem Amerikanischen von Conny Lösch, Suhrkamp Taschenbuch

Suhrkamp - cold hard love