Kroatien: Sorgenkind vor EU-Beitritt

Kroatien wird am 1. Juli der EU beitreten. Doch die Regierung des beliebten Urlaubslandes hat viele Hausaufgaben noch nicht erledigt, sagen Ökonomen. Die EU könnte so nach Rumänien und Bulgarien das nächste Sorgenkind bekommen. Und die kroatische Wirtschaft wird vom Beitritt nicht sofort, sondern wahrscheinlich erst in ein paar Jahren spürbar profitieren.

Mittagsjournal, 15.1.2013

Kroatiens Wirtschaft 2012 geschrumpft

Malerische Inseln, schroffe Steilküsten, und romantische Altstädte - so kennt man Kroatien als Tourist. Doch die wirtschaftliche und politische Realität ist weit weniger romantisch: Kroatiens Wirtschaft ist im Vorjahr geschrumpft und wird heuer auch kaum wachsen. Das Land hat die dritthöchste Jugendarbeitslosigkeit Europas, viel zu viele Menschen im Staatsdienst, und ein reformbedürftiges Pensionssystem. Dazu kommen Korruption und ein zu langsames Justizsystem.

Druck der EU

Handelt sich die EU mit Kroatien also nach Bulgarien und Rumänien den nächsten Nachzügler ein? Die Kroatien-Expertin Hermine Widowitsch vom Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche beantwortet die Frage so: "Ich glaube, dass das, was die Korruption und das Justizwesen anlangt, schon sehr viel Druck auch von der EU noch kommen wird bis zum Beitritt. Es gibt ja ein Monitoring von Kroatien bis zum Beitritt und die EU wird sehr wohl versuchen, diese Fehler, die sie gemacht hat beim Beitritt von Rumänien und Bulgarien so gering wie möglich zu halten."

Kroatien braucht ausländische Investitionen

Die kroatische Wirtschaft wäre an sich nicht so schlecht aufgestellt. Sie hat ein Niveau, das vergleichbar ist mit Ungarn oder Polen. Kroatien ist zum Beispiel sehr stark beim Schiffsbau. Aber es bräuchte Investitionen aus dem Ausland, um noch mehr Schwung hineinzubringen. Diesen Schwung könnte der EU-Beitritt in einem halben Jahr bringen, würde man meinen. Doch die Voraussetzungen sind nicht die besten, weil die EU mit Schuldenkrise und Wirtschaftsflaute sehr mit sich selbst beschäftigt ist: "Zum Zeitpunkt des Beitritts von Rumänien und Bulgarien herrschte Hochkonjunktur. Schon im Vorfeld des Beitritts sind große Zuflüsse von ausländischen Direktinvestitionen in diesen Ländern verzeichnet worden. Das war in Kroatien nicht der Fall und wird auch in den nächsten 1 bis 2 Jahren nicht der Fall sein."

Vorteile für Kroatien

Dazu kommt, dass der EU-Beitritt für viele kroatische Kleinbauern das Aus bedeuten könnte. Denn sie können dann ihre Produkte nicht mehr so leicht in den Nachbarländern wie Bosnien-Herzegowina verkaufen, weil hohe Zölle fällig werden. Unter dem Strich ist der EU-Beitritt für Kroatien trotzdem mittel- bis langfristig positiv, sagt die Kroatien-Expertin, und dieser Meinung ist auch der Chef-Analyst der Erste Group, Friedrich Mostböck. Als nächstes Sorgenkind der EU will er Kroatien nicht sehen: "Sicher hat Kroatien auch Nachteile wie jeder Staat. Aber in Summe gesehen, sollte sich der EU-Beitritt positiv auswirken." Einen ersten Hoffnungsschimmer für Kroatien gibt es schon: Für das nächste Jahr sagen die Erste-Group-Analysten ein Wirtschaftswachstum von immerhin 2 Prozent voraus.