"Spiegelgrund" von Peter Androsch
Der 27. Jänner, am kommenden Sonntag, ist in vielen Ländern ein wichtiger Tag im "Gedenkkalender". Es ist der Holocaust-Gedenktag - an diesem Tag wurden 1945 die Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz befreit. Aus diesem Anlass wird am kommenden Freitag - also zwei Tage davor - die Oper "Spiegelgrund" im Österreichischen Parlament uraufgeführt.
8. April 2017, 21:58
Mehrmals wurde der Spitalskomplex auf der Baumgartner Höhe umbenannt: "Wiener städtische Jugendfürsorgeanstalt", "Heilpädagogische Klinik der Stadt Wien - Am Spiegelgrund" und "Wiener städtische Nervenklinik für Kinder" - mit diesen Namen versuchte man beschönigend eine Spezialklinik vorzutäuschen, in der kranke, behinderte und vermeintlich erblich belastete Kinder und Jugendliche behandelt wurden. In seiner Musiktheaterproduktion "Spiegelgrund" erinnert der Linzer Komponist Peter Androsch an die Ermordung Hunderter Kinder mit Beeinträchtigung in der gleichnamigen Wiener Anstalt.
(c) ORF/edition kulturquartier/Erich Obernberger
Kulturjournal, 22.01.2013
Peter Androsch
Diese Oper ist ein Andenken an meinen Urgroßvater Karl Posch. Er wurde von den Nazis verschleppt, durch die KZs geschleift und in Buchenwald in den Tod gequält. Geboren am 25.10.1873, polizeiliche Sicherungsverwahrung und Einweisung nach Dachau am 17.6.1938, Überstellung nach Mauthausen am 26.8.1938, erneute Einweisung nach Dachau von Mauthausen am 8.5.1939, Überstellung nach Buchenwald aus Dachau am 26.9.1939, Tod am 16.12.1939 im Block 32 in Buchenwald. Sterbeurkunde vom 18.3.1940. Aus Versehen (sic!) zwei Häftlingsnummern: 16220 / 33333.
Die nichtgeweinten Tränen der Familie sind hier in der Partitur. Spiegelgrund. Mit dieser Oper bin ich wieder zu den Nazis zurückgekehrt. Bildlich gesprochen. Nach vielen Jahren musste ich mich wieder mit diesen Irren beschäftigen. Nein, durfte ich mich beschäftigen. Denn die Arbeit an der Oper hat mich wieder in einen großen Sog gezogen, so wie schon bei den anderen Arbeiten zu und über den Nationalsozialismus. (...) Nicht ohne Grund waren nahezu zehn Jahre Pause dazwischen. Denn der Sog kann einen auch umbringen.
(c) ORF/edition kulturquartier/Erich Obernberger
Der Name "Spiegelgrund" steht für den unfassbaren Schrecken von Euthanasie und Kindermord in der NS-Herrschaft. Die Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof" mit der sogenannten "Kinderfachabteilung Am Spiegelgrund" in Wien war Teil der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie. Mit der Uraufführung von Peter Androschs gleichnamiger Oper im historischen Sitzungssaal des Parlaments wird anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages an die rund 800 Opfer erinnert.
Service
ORF III überträgt am 25. Jänner ab 17:20 Uhr die Uraufführung in seinem aktuellen Programmschwerpunkt "NS-Euthanasie".
Parlament - "Spiegelgrund"