Die Lateralität der Menschen

Nur für Linkshänder

Schätzungen besagen, dass etwa 25 Prozent der Menschen als Linkshänder geboren werden. Ihnen und dem allgemeinen Prinzip der Lateralität, der Händigkeit von Menschen, Tieren, Molekülen und sogar des Universums, hat Sebastian Jutzi sein neues Buch gewidmet.

In "Nur für Linkshänder" ist, anders als der Titel vermuten lässt, für jeden etwas dabei. Interessieren sie sich für Tiere? 50 Prozent der Wellensittiche sind Linkshändern, bei den Helmkakadus bevorzugen sogar alle Artgenossen die linke Kralle.

Politische Fragen? Barack Obama, Bill Clinton und George Bush sen. gehören zur Gruppe der Linkshänder. Wenn diese Politiker positive Aussagen unterstreichen wollen, dann gestikulieren sie bevorzugt mit ihrer Linken.

Philosophie? Schon Platon und Aristoteles machten sich Gedanken über den Ursprung der sogenannten Lateralität. Während Platon dachte, dass der Mensch mit zwei gleich geschickten Händen zur Welt komme und sich die Händigkeit erst durch die Erziehung auspräge, war sein Schüler Aristoteles davon überzeugt, dass sie naturgegeben und damit angeboren sei.

Oder sind sie einfach nur Rechtshänder und wollen mehr darüber erfahren? Auch dann kommen sie auf Ihre Kosten, denn wo links ist, da muss es auch rechts geben.

"Starke" Hand bevorzugt

Schon bei fünfjährigen Kindern ließe sich diese Tendenz beobachten, schreibt Sebastian Jutzi. Sie sortieren das Spielzeug, das ihnen gefällt, auf die Seite ihrer Händigkeit. Negativ besetzte Dinge wandern auf die gegenüberliegende Seite.

Um solche Annahmen zu untermauern, trägt der Wissenschaftsjournalist Sebastian Jutzi zahlreiche wissenschaftliche Ergebnisse und Studien zusammen. Vieles davon ist spannend. Manches, vor allem die Ergebnisse der Hirnforschung zu Links- und Rechtshändern, sind jedoch eher mit Vorsicht zu genießen.

Neuromythen

Die unterschiedliche Strukturierung des Gehirns bei Linkshändern führe zum Beispiel dazu, dass sie Gesichter schneller verarbeiten und erkennen können, als Rechtshänder, meint Jutzi. Diesen Unterschied findet man angeblich auch beim Vergleich der Geschlechter.

In Zeiten, in denen viele Erkenntnisse der Hirnforschung als Neuromythologien entlarvt werden, sollte man solche absolutistischen Aussagen vielleicht nur mit der notwendigen kritischen Distanz veröffentlichen.

Erklärung für Außerirdische

Interessant ist dagegen, wenn sich Sebastian Jutzi der Frage widmet, wie man einem Außerirdischen das Konzept von Links und Rechts erklären könnte und dabei auf den Philosophen Immanuel Kant zurückgreift.

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass unsere Vorstellung von Links und Rechts mit Worten allein schwer zu erklären ist und es in der Regel eine Demonstration bedarf. Um außerirdischen Gästen beispielsweise die Lateralisation des Geruchsinns zu verdeutlichen, könnte man ein Experiment des Max-Planck-Instituts für Ornithologie heranziehen: Die Forscher setzten Tauben etwa 40 Kilometer von ihrem Schlag aus. Einigen Vögeln hatten sie das linke, anderen das rechte Nasenloch mit einem Wachspfropfen verstopft. Tauben ohne verstopfte Nase schlugen direkt den Weg nachhause ein. Diejenigen, die auf das linke Nasenloch verzichten mussten, brauchten ein bisschen länger.

Links oder rechts - egal

Ebenfalls lesenswert ist das - wenn auch kurze - Kapitel über "Chiralität", die räumliche Anordnung von Atomen in einem Molekül. Die Links- bzw. Rechtshändigkeit kann die Wirkung eines an sich symmetrischen Moleküls verändern. Als Beispiel nennt Sebastian Jutzi etwa den Aromastoff Limonen. Seine linkshändige Variante duftet nach Zitrone, die rechtshändige nach Orange.

Sebastian Jutzi hat auf 330 Seiten so ziemlich alles zusammengetragen, was es zum Thema Links und Rechts zu sagen gibt. Die reißerische Frage auf dem Buchrücken, ob nun Linkshändern die Zukunft gehöre, bleibt letztlich unbeantwortet. Die gute, wenig überraschende Botschaft lautet, sie sind in keinem Fall davon ausgeschlossen. Zumindest in unseren Breiten. Denn bei den Aborigines oder den namibischen Buschleuten wird Links und Rechts auch zukünftig keine Rolle spielen. Dieses Konzept der Raumaufteilung ist dort nach wie vor unbekannt.

Service

Sebastian Jutzi, "Nur für Linkshänder", Scherz Verlag

Scherz Verlag - Nur für Linkshänder