Kosice 2013
Kosice, die Geburtsstadt von Sandor Maroi, ist heuer Kulturhauptstadt. Diese ostslowakische Stadt stand allerdings von Anfang an im Schatten des französischen Marseille. In Kosice wird überdies noch heftig gearbeitet.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 25.02.2013
Die Veranstalter haben sich vorgenommen, die Stadt an der europäischen Schengen-Außengrenze von seinem Image als Industriezentrum zu befreien und zu einem Kreativzentrum umzubauen. Das dürfte aber noch ein langer Weg werden, wie ein Lokalaugenschein in Kosice zeigt.
Service
Man muss schon ein Weilchen flanieren über die längste Fußgängerzone der Slowakei, bis man in Kosice auf das erste Plakat der Kulturhauptstadt trifft. Der alte österreichisch-ungarische Handelsplatz, der einst Kaschau hieß, hat ein schön herausgeputztes Zentrum, aber wenn man die zentralen Veranstaltungsstätten der Kulturhauptstadt besichtigen will, sieht man jetzt nicht mehr als Baukultur.
So zum Beispiel im Kulturpark Kasarne. Ein Kasernengelände aus der k.-u.-k.-Zeit wird hier zu einem Veranstaltungszentrum mit Bühnen, Proberäumen, Studios, Galerie und Ateliers für die Absolventen der kreativen Studienrichtungen umgebaut. Die Idee sei, einen einst geschlossenen militärischen Bereich zu öffnen, erzählt Projektleiter Daniel Gaspierik. Erst im Mai oder Juni wird dieser Kulturpark fertig gestellt sein. Schneller wird es beim zweiten Großprojekt auch nicht gehen. Die erste Kunsthalle der Slowakei entsteht auf dem Gelände eines aufgelassenen Schwimmbads.
Projekt mit Plattenbauten
Um ein bereits funktionierendes Projekt der Kulturhauptstadt zu sehen, muss man in die Vororte. Durchnummerierte Plattenbauten entstanden hier Ende der 1950er und Anfang der 60er Jahre mit dem Stahlwerk, das nach wie vor der größte Arbeitgeber von Kosice ist. Allen Blocks gemeinsam waren zentrale Warmwasseranlagen, kleine Gebäude, die mittlerweile aufgelassen sind. Mit dem Projekt SPOTs werden sie wiederbelebt - als kleine, lokale Kulturzentren, manchmal von Künstlern bemalt, manchmal von den Bewohnern selbst. Sie sollen Treffpunkte sein, die die Einwohner selbst mit Leben erfüllen. Für Projektleiter Christian Potiron ein Gesellschafts- und Kunstprojekt:
"Hier zum Beispiel haben wir die klassische Generationenfrage, den Konflikt der alteingesessenen Bewohner und der Neuzuzügler. Und eine der Ideen der SPOTs ist, dass einander unterschiedliche Bevölkerungsgruppen begegnen."
Damit können die meisten Bewohner von Kosice wohl mehr anfangen als mit der Idee der Kulturhauptstadt schlechthin. Stadt und Region sind strukturschwach mit einer Arbeitslosenrate über 10 Prozent. In solch einer Situation Kultur zum höchsten Budgetposten zu machen, gefällt vielen nicht. 40 Millionen Euro lässt sich Kosice die Kulturhauptstadt kosten, mit der EU-Kofinanzierung kommt man auf Gesamtkosten von 70 Millionen Euro. Zu Recht, sagt die Stadtregierungssprecherin, Martina Viktorinova, denn hier werde in Stadterneuerung investiert:
"Einen solchen Umfang an Ausgaben für die Infrastruktur gibt es zurzeit nirgendwo sonst in der Slowakei. Es ist eine Art historische Befriedigung, dass jetzt wir jetzt Hauptstadt sind."
Kosice zu einer "kreativen Universitätsstadt machen"
Nachhaltigkeit ist auch hier ein gern im Munde geführtes Schlagwort. Der künstlerische Leiter Vladimir Beskid muss es dieser Tage oft hervorholen wenn er mit kritischen Anfragen konfrontiert wird: "Es ist entscheidend für uns, einen langfristigen Entwicklungsprozess zu beginnen. Wir wollen Kosice von einer Industriestadt zu einer postindustriellen, kreativen Universitätsstadt machen."
Dennoch will Kosice aber auch erinnern - an seine großen Söhne: Andy Warhols Familie stammte aus der Umgebung. Der Schriftsteller Sandor Marai wurde hier geboren und ist faszinierenderweise in der Slowakei kaum bekannt. Erst mit der samtenen Revolution begann man seine Werke, die er auf Ungarisch geschrieben hat, ins Slowakische zu übersetzen, erzählt Peter Germuska, der das Marai-Projekt leitet: "Marai war ein Gegner jeder Diktatur und des Totalitarismus. Er hat die Übersetzung seiner Werke in der Welt hinter dem Eisernen Vorhang nicht erlaubt."
Spät, aber doch hat man Marai ein kleines Museum gewidmet. Es kann allerdings nur nach Voranmeldung besichtigt werden. Im Sommer will man Marai mit einem Lesemarathon würdigen. Im August feiert Kosice ein Andy-Warhol-Straßenfest. Definitiv die bessere Zeit, die zweitgrößte slowakische Stadt zu besuchen als jetzt. Dann wird man auch sehen können, ob auf Baukultur wirklich Hochkultur folgt.