Dokumentarfilmer Mahdi Fleifel im Gespräch

Der Dokumentarfilm "A World Not Ours" von Mahdi Fleifel zeigt das Leben in einem palästinensischen Flüchtlingslager. Mahdi Fleifel ist für seine Dokumentation mit dem Friedensfilmpreis der Berlinale ausgezeichnet worden.

Mahdi Fleifel

(c) JENSEN, DPA

Kulturjournal, 26.02.2013

Hochästhetisch und radikal reduziert, so könnten die Arbeiten von Mathias Poledna kurz charakterisiert werden. Ab heute bespielt Poledna den Hauptraum der Wiener Secession mit einer Filmarbeit, die seine Formensprache ganz klar zeigt.

Der dänisch-palästinensische Regisseur Mahdi Fleifel hat den Friedensfilmpreis der Berlinale gewonnen - mit seiner Dokumentation "A World Not Ours", also "Eine Welt, die nicht die unsere ist". Die Jury wertete den Film als "Beitrag für einen neuen Friedensprozess". Letzte Woche hat nun das American Jewish Committee in Deutschland diese Entscheidung scharf kritisiert und gemeint "Wer Israel das Existenzrecht aberkennt, dient nicht als Vorbild für den Frieden." Der Film porträtiert den Alltag im palästinensischen Flüchtlingslager Ain el-Helweh im Südlibanon. Mahdi Fleifel stellt aber gleich zu Beginn seiner Dokumentation klar, dass er der Tragik des Lebens im Flüchtlingslager mit Ironie und Witz zu Leibe rücken will.

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Nakba FilmWorks - A World Not Ours

Wolfgang Popp: Im Flüchtlingslager gibt es diese unglaubliche Armut und Hoffnungslosigkeit. Darf man da einen Film machen, der komisch ist?
Mahdi Fleifel: Wann immer mich jemand fragt, worum es in meinem Film geht, erzähle ich, dass es sich da um die Geschichte des Flüchtlingslagers handelt, in dem meine Eltern geboren wurden und in dem auch ich aufgewachsen bin. Dabei kann ich ganz genau beobachten, wie die Gedanken meines Gegenübers abschweifen und er sich denkt, nicht noch einer dieser Filme. Dann erzähle ich aber weiter, dass es da komödienhafte Elemente gibt, so als wäre die Serie "Die wunderbaren Jahre" in ein Flüchtlingslager verlegt worden und dass zeitweise auch eine Nostalgie vorherrscht, wie man sie aus Woody Allen-Filmen kennt. Und da merke ich, wie mein Gegenüber beginnt, sich für meine Doku zu interessieren und jetzt auch mehr darüber wissen will. Im Menschen gibt es diesen Reflex, sich über die eigene missliche Lage lustig zu machen. So kommen wir gewöhnlich über Krisen hinweg. Und so tragisch es in unserem Flüchtlingslager zugeht, gelten dort doch dieselben Gesetze.

Sie zeigen die Menschen ganz einfach in ihrem Alltag und man bekommt dadurch einen ganz anderen Eindruck von ihnen als aus den Nachrichten?
Es gibt einen neuralgischen Punkt in dem Diskurs über Palästina, so wie er in den Medien geführt wird. Die Palästinenser werden da als Opfer dargestellt und die Israelis als die Täter. Für mich besteht daran auch kein Zweifel. Um zu diesem Urteil zu kommen, muss man diesen Konflikt nicht umständlich analysieren. Mir kommt es aber vor, als hätten sich die Palästinenser über die Jahre und Jahrzehnte hinweg in dieser Opferrolle eingerichtet. Und auch die Menschen in Europa halten an dieser Perspektive fest. Sie wollen die Bilder geliefert bekommen von den leidenden Palästinensern: Von den Steine werfenden Kindern und den weinenden Müttern. Das ist natürlich eine Seite der Geschichte. Ich wollte aber einen Film über unseren Alltag drehen, der zeigt, dass wir nicht nur trauernde Opfer sind, sondern ein integres Leben leben wollen, wie jeder andere auch auf dieser Welt.

Sie wohnen mittlerweile in London, viele ihrer Freunde leben aber noch immer im Lager. Kann ein Flüchtlingslager eigentlich jemals zu einem Zuhause werden?
Ich glaube, dass es nie zu einem dauerhaften Zuhause werden kann. Und darin liegt auch die Tragödie. Diese Siedlung wurde ja als Provisorium errichtet. Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben und mussten irgendwo unterkommen. Damals erlaubte man ihnen, ihre Zelte unter irgendeinem Feigenbaum aufzuschlagen. Das war aber nur als Übergangslösung gedacht. Ich fühle mich auch nicht wohl dabei, wenn ich auf Reisen für länger als ein paar Wochen aus meinem Koffer leben muss, weil das ganz schön anstrengend werden kann. Nicht umsonst gibt es ja das Sprichwort "Home, sweet home". Es gibt nun einmal diesen einen Ort, an dem man sich wohlfühlt und wo man seine Wurzeln hat. Für einen Flüchtling gibt es dieses "Home, sweet home"-Gefühl aber nicht. Man lebt fortwährend ein provisorisches Leben, das auf eine bizarre Art und Weise zu etwas Dauerhaftem geworden ist.

In einer der beeindruckendsten Szenen des Films heißt es, die Jugendlichen verwenden die palästinensische Sache als Ausrede, um sich in die Luft zu sprengen und sprengen sich nicht in die Luft, weil sie der palästinensischen Sache dienen wollen. Stellt die Zwei-Staaten-Lösung keine Option dar?
Das Szenario ist ganz einfach. Vor 65 Jahren wurde ein Stück Land von einer Kolonialmacht ethnisch gesäubert, weil diese Menschen glaubten, das sei ihre Heimat. Aus religiösen oder was auch immer für Gründen. Das halte ich für Nonsens. Gott ist doch kein Immobilienmakler, der Land verteilt. Ich kann Israel also nicht als legitimen Staat akzeptieren, ich akzeptiere es aber als Realität, weil es nun einmal existiert. Nur macht dieser Umstand aus uns ein heimatloses Volk. Für die meisten von uns ist Palästina nur noch ein Seelenzustand. Ich will ein Land, eine Armee, die mich beschützt, einfach die Dinge, die andere Menschen auch haben. Wenn ich diese Sachen bekommen würde, könnte ich aber gar nicht damit umgehen, weil ich nur ein Leben als Exilierter kenne. Das Problem ist also ganz schön komplex.

Haben Sie mit einem Kameramann gearbeitet?
Nein, ich habe die Kamera selbst geführt. Ich habe mir in London eine kleine Amateurkamera gekauft, genauso eine, wie sie auch Touristen verwenden.

Sie zeigen das Lager genau zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft. War das eine bewusste Entscheidung?
Die Fußballweltmeisterschaft ist von den Palästinensern begeistert mitverfolgt worden. Ein Heimatland zu haben und damit eine eigene Mannschaft mit Männern in lächerlichen kurzen Hosen, die einem Ball nachrennen und ein anderes Land besiegen, so etwas befriedigt ja ganz primitive Bedürfnisse. Palästinenser würden da genauso gerne mit ihrem Land mitfiebern wie andere auch. Wir haben aber nicht einmal ein Land, das ein Fußballteam hervorbringen könnte, obwohl ich glaube, dass es sogar irgendwo ein palästinensisches Fußballteam gibt. Die meisten Spieler stammen aber, soviel ich weiß, aus Chile, weil dort die größte palästinensische Bevölkerungsgruppe außerhalb der arabischen Welt lebt.