Papstwahl: Konflikt zwischen Kardinälen

In Rom haben die mittlerweile vollzählig versammelten 115 Kardinäle weiterhin nicht entschieden, wann das Konklave, die Wahl des neuen Papstes, beginnen soll. Immer deutlicher wird, dass es in den Kardinalsversammlungen im Vorfeld des Konklaves große Spannungen gibt, nicht nur über Terminfragen.

Morgenjournal, 8.3.2013

Widerstand wie bei Ratzinger

Die Spannungen im Kardinalskollegium wurden sichtbar, als die täglichen Pressekonferenzen der US-amerikanischen Kardinäle plötzlich aufhörten. Die Kardinäle der römischen Kurie hatten ihre kommunikationsfreudigen Mitbrüder zurückgepfiffen. Die von den Amerikanern gepflegte Offenheit mit den Medien missfiel den im Vatikan beheimateten Kardinälen. "Es ist derselbe Widerstand, auf den auch schon Josef Ratzinger gestoßen ist, als er Sauberkeit und Transparenz durchsetzen wollte", sagt Giacomo Galeazzi, renommierter "Vaticanista" der bürgerlichen Tageszeitung "La Stampa". "Ratzinger ist genau bei denselben auf Widerstand gestoßen, die jetzt Diskretion predigen und verhindern, dass die amerikanischen Kardinäle parallel zu den offiziellen vatikanischen eigene Pressekonferenzen abhalten."

Die beste Antwort, so Galeazzi, habe vor kurzem Kardinal Schönborn gegeben: "Als er sagte, Wahrheit und Klarheit seien die beste Unterstützung für dieses Konklave." Galeazzi sieht im Tauziehen um Transparenz einen direkten Zusammenhang mit Vatileaks, dem großen Skandal der römischen Kurie: "Je mehr Zeit bis zum Konklave vergeht, desto besser können sich die externen Kardinäle, also die nicht zur Kurie gehörenden, über Vatileaks informieren."

Angst vor Vatileaks

Die Kurienkardinäle haben Angst, dass im Vatileaks-Dossier Namen von wahlberechtigten Kardinälen auftauchen, die derzeit besonders eifrig Seilschaften im Interesse der Kurie schmieden. Und je mehr Information und Debatte im Vorfeld des Konklave stattfinden, mutmaßt Galeazzi, desto mehr müssten die Kurienkardinäle fürchten, dass die Nicht-Europäer stärker werden und sich gegen die Italiener verbünden - unter Führung der US-Amerikaner, die nach Vatileaks, Pädophilie- und Finanzskandalen eine tiefgreifende Reform der Kurie verlangen. "Der Maulkorb der Kurienkardinäle für die Amerikaner könnte sich als böser Bumerang erweisen. Vor den Augen der Welt sind sie jetzt diejenigen, die den Transparenzwillen der Externen Kardinäle zu sabotieren versuchen."

Papst erstmals nicht aus Europa?

Die Folge für das Konklave könnte sein, spekuliert der Vaticanista Giacomo Galeazzi, dass zum ersten Mal in der zweitausendjährigen Geschichte der katholischen Kirche ein nicht-europäischer Papst aus dem uralten Wahlritual hervorgeht.