Hitchcock

Mann und Mythos: im Leben und Wirken von Sir Alfred Hitchcock ist das untrennbar miteinander verbunden. Mehr als 30 Jahre nach seinem Tod gilt der gewaltige Brite als einer der einflussreichsten - und besten - Regisseure in der Geschichte des Kinos.

Das liegt zum einen an der überragenden Qualität seiner Filme - viele davon haben sich ins kulturelle Gedächtnis eingefressen -, das liegt zum anderen aber auch an der Persönlichkeit von Hitchcock selbst. Zeitlebens eilt ihm der Ruf voraus, ein harter und unnachgiebiger Regisseur zu sein; einer, der seine Schauspieler quält und alle anderen in den Wahnsinn treibt.

In seiner Biografie finden sich jedenfalls mehr als genug Elemente für einen eigenen Film: "Hitchcock" heißt der und erzählt von einem der schwierigsten Karriereschritte des Regisseurs: 1959 kehrt er den großen Hollywood-Studios den Rücken zu und beginnt an seinem legendärsten Projekt zu arbeiten: "Psycho".

  • Hitchcock mit Kamera

    (c) Twentieth Century Fox

  • Szene aus "Hitchcock"

    (c) Twentieth Century Fox

  • Mr. und Mrs. Hitchcock

    (c) Twentieth Century Fox

  • Szene aus "Hitchcock"

    (c) Twentieth Century Fox

  • Autoszene im Studio

    (c) Twentieth Century Fox

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Dreharbeiten zu "Psycho"

Dass Alfred Hitchcock einen Hang zum Makabren hat, ist bekannt. Dennoch geht 1959 ein Raunen durch Hollywood: jener Regisseur, der mit Suspense-Meisterwerken wie "Das Fenster zum Hof" und "Der dritte Mann" Filmgeschichte geschrieben hat, kündigt "Psycho" als sein nächstes Projekt an. Basierend auf Robert Blochs gleichnamigem Roman, und inspiriert von den schockierenden Verbrechen des Serienmörders Ed Gein, soll das Werk den Höhepunkt des Leinwand-Thrillers markieren.

Die Reaktionen auf die Ankündigung fallen allerdings nicht wie erhofft aus: Paramount versagt die Finanzierung des Projekts. Hitchcock ist gezwungen, "Psycho" selbst zu produzieren - und entscheidet sich, mit einem Kleinbudget von unter einer Million Dollar zu arbeiten. Von all diesen Turbulenzen erzählt "Hitchcock".

Die leichtfüßige Filmbiografie basiert auf Stephen Rebellos Sachbuch zur Produktion von "Psycho". Der in einem Fettanzug steckende Anthony Hopkins brilliert als Hitch, während Helen Mirren in die Rolle seiner Frau Alma schlüpft - und keinen Zweifel daran lässt, wie zentral ihre Arbeit für viele Hitchcock-Meisterstücke gewesen ist.

Leidenschaftsmensch Hitchcock

"Hitchcock" ist kein fiktionalisiertes Produktionstagebuch von "Psycho", vielmehr geht es Regisseur Sacha Gervasi und Drehbuchautor John J. McLoughlin darum, die Arbeits- und Lebensweise des britischen Filmemachers zu umreißen. Als Zuschauer begegnet man einem liebenswert-lakonischen Leidenschaftsmenschen, der sich durch die historisch akkuraten Sequenzen schiebt. Seine Eifersucht auf einen männlichen Bekannten seiner Frau Alma und die Bewusstmachung, dass einige der ikonischsten Momente in seinen Filmen vielleicht gar nicht seinen eigenen Ideen entsprungen sind, laden dazu ein, dem Regisseur und Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.

Von den kolportierten negativen Eigenschaften des Regisseurs spürt man in "Hitchcock" wenig: Anthony Hopkins spielt ihn als liebenswerten, verschrobenen und eigensinnigen Mann - eine Darstellung, mit der nicht alle einverstanden sind: Erst im letzten Jahr zeigte das TV-Biopic "The Girl" Hitchcock in einem weitaus weniger guten Licht. Regisseur Julian Jarrold erzählt darin von der schwierigen Beziehung zwischen dem britischen Regisseur und der Schauspielerin Tippi Hedren.

1963 besetzt Alfred Hitchcock die zuvor unbekannte Blonde als Hauptdarstellerin in "Die Vögel". Später wird sie davon erzählen, wie Hitchcock ihr Avancen gemacht hat. Nachdem sie ihn zurückweist, macht er ihr das Leben angeblich zur Hölle. In Interviews nennt sie ihn "einen gemeinen, gemeinen Mann". Trotz aller Turbulenzen spielt Tippi Hedren auch in Hitchocks nächster Produktion "Marnie" die Hauptrolle. Nachdem die Situation für sie immer unerträglicher wird, beendet sie allerdings ihre Zusammenarbeit mit dem Regisseur - und damit gleichzeitig auch ihre Filmkarriere.

In der Folge massenweise Kunstblut

Alfred Hitchcock verstand es wie wenige andere, auf der Klaviatur der Selbstinszenierung zu spielen. Als "Psycho" 1960 nur einen kleinen Start bekommen soll, spielt der Regisseur seinen größten Trumpf aus: sich selbst. In Werbe-Trailern warnt er das Publikum vor seinem neuen Film, mit Kinos vereinbart er, dass niemand nach Beginn eingelassen werden darf, die Zuschauer hält er dazu an, nichts von den überraschenden Wendungen und schockierenden Enthüllungen von "Psycho" zu verraten. Nicht zuletzt aufgrund dieser Marketing-Strategie entwickelt sich der Film bei seinem Erscheinen zu einem Phänomen. Hitchcock ist ein Risiko eingegangen - und hat gewonnen.

Der phänomenale Erfolg von "Psycho" hinterlässt einen gewaltigen Abdruck auf der filmkulturellen Landschaft. In den frühen 1960er Jahren boomen Serienmörder-Filme im einst so zahmen Hollywood-Kino; und nach dem heiß diskutierten Dusch-Mord, der die Grenzen der Gewaltdarstellung im Kino flexibilisiert hat, überschütten Low-Budget-Regisseure wie Herschell Gordon Lewis ihre Arbeiten mit massenweise Kunstblut.

Das Erbe von "Psycho" ist immer noch zu spüren - vollkommen zu Recht: Das Wagnis und der Wahnsinn von Alfred Hitchcock, seiner Frau und seiner Mitarbeiter hat das Spannungskino in die Moderne katapultiert - an einen Punkt, von dem aus es kein Zurück mehr geben kann, von dem an sich jeder Thriller mit "Psycho" messen lassen muss.

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