OÖ: Sparen beim Patienten statt im Vorstand
Sparen bei den Patienten, aber Mehrausgaben für einen neuen Vorstandsposten - das scheint das neue Motto von Oberösterreichs Spitalsbetreiber GESPAG zu sein. Laut interner Vorgabe gibt es die teuersten und laut Ärzten langlebigsten Hüftprothesen nur noch für höchstens fünf Prozent der Patienten. Ein entsprechendes GESPAG-Protokoll liegt dem Ö1-Morgenjournal exklusiv vor.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 21.3.2013
Maximal fünf Prozent
So schnell kann's gehen: Noch im Herbst hatte der oberösterreichische Spitalsbetreiber GESPAG genug Geld, um auf politischen Druck einen zusätzlichen Vorstandsposten zu schaffen, nun muss er eisern sparen. Und zwar bei den Patienten. Die Vorgabe in einem internen Protokoll ist eindeutig: Die teuersten und nach Ansicht vieler Ärzte langlebigsten künstlichen Hüftgelenke, die gibt es in Oberösterreichs Landesspitälern nur mehr für ganz wenige: "Maximal fünf Prozent aller Patienten werden mit Keramik-Keramik-Paarungen versorgt."
Frage des Abriebs
Welche Materialien in einer künstlichen Hüfte aufeinander treffen, ist ausschlaggebend für Verträglichkeit und Haltbarkeit. Und ein Keramikkopf in einer Keramikpfanne gilt wegen des geringen Abriebs vor allem für jüngere Patienten als goldener Standard.
"Skandal"
Dass gerade hier gespart wird, sei ein Skandal, sagen oberösterreichische Spitalsärzte zum Morgenjournal. Ihren Arbeitgeber öffentlich zu kritisieren, das wagen sie freilich nicht. Wir haben daher die Einschätzung eines Experten eingeholt, der nicht um seinen Job fürchten muss. Und Uni-Professor Martin Dominkus, Primarius am Wiener Orthopädischen Spital Speising, sagt zu einer Fünf-Prozent-Kontingentierung ganz klar: "Mir erscheint eine Zahl von höchstens fünf Prozent Keramik-Keramik-Paarungen sicherlich zu tief gegriffen." Er könne zwar nicht genau sagen, wie viele Menschen genau unter 60 in Österreich mit Hüftprothesen versorgt würden, aber: "Ich würde schätzen, dass wahrscheinlich 20 bis 25 Prozent eine realistischere Zahl wären."
"Keine Quote, sondern Zieldefinition"
Die GESPAG weist das zurück. Für Oberösterreich hätte eine interne Arbeitsgruppe eben weniger Bedarf erhoben, sagt Vorstand Harald Geck. Und überhaupt: "Es handelt sich nicht um eine Quote, sondern um eine Zieldefinition, die sich diese Arbeitsgruppe, die besteht aus betroffenen Ärztinnen und Ärzten, selbst gegeben hat. Es hat daran ein externer Experte mitgewirkt, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass diese Standards festgelegt wurden. Und diese Standards tragen dazu bei, dass jeder Patient und jede Patientin bekommt, was er oder sie braucht."
Zahlen sprechen für sich
Dazu zwei Anmerkungen: Die erwähnten Ärzte haben alle nur befristete Verträge, die sie wohl irgendwann gern von der GESPAG verlängert hätten. Und der externe Experte gilt zwar als renommiert - kann aber letztlich nicht beweisen, dass die von ihm forcierte Materialkombination Keramik und hochvernetztes Polyethylen auch längerfristig gut verträglich ist. Solche Gelenke werden nämlich einfach erst zu kurz verwendet.
Bleiben auf Seiten der GESPAG am Ende zwei gesicherte Zahlen, die für sich sprechen: Sparvorgaben bei künstlichen Gelenken laut Protokoll 700.500 Euro, Mehrkosten durch den mit April antretenden dritten Vorstand: 180.000 Euro - pro Jahr.