Micael Dahlen über die Erwartungsgesellschaft

Nextopia

Morgen wird alles besser, morgen werden wir alle froh sein. So lautet das Credo der Erwartungsgesellschaft. Noch nie war es so leicht, glücklich zu werden, wie heute, ist Micael Dahlén überzeugt, aber gleichzeitig war es noch nie schwieriger, glücklich zu bleiben.

Wichtig ist das Morgen

Wir leben heute in einer Erwartungsgesellschaft, meint der Ökonom Micael Dahlen. Das Hier und Jetzt ist nicht von Interesse. Wichtig ist bloß das Morgen. Um dieses Morgen kreist laut Dahlen sowohl unser Alltag, wie auch unser Geschäfts- und Liebesleben. Und weil die Suche nach dem nächsten Kick zur gesellschaftlichen Antriebsfeder geworden ist, hat Dahlen dafür den Begriff "Nextopia" geprägt.

Man könnte sagen, das Prinzip Börse ist in unser aller Leben eingedrungen, denn an der Börse interessieren ja bekanntlich vergangene Erfolge nicht; es zählt einzig die Aussicht auf das Morgen. Man könne dieses Muster auch im Alltag erkennen, so Dahlen, denn egal, wen man fragt, egal, wozu man diese Personen fragt, immer sind die Menschen überzeugt, dass sie in einem Monat, in einem Jahr, in zwei Jahren, mehr verdienen werden als heute, glücklicher sein werden als heute und zufriedener sein werden als heute.

Hohe Zufriedenheit

Aber leider hält die Realität mit unseren Vorstellungen nicht Schritt. Denn das haben so gut wie alle Untersuchungen zum Thema Glück und Zufriedenheit ergeben: Selbst ein Lottogewinn erhöht die persönliche Zufriedenheit nur für kurze Zeit; und selbst Querschnittgelähmte sind nach einiger Zeit wieder so zufrieden wie vor der Lähmung.

Den 400 reichsten Amerikanern wurde ebenso wie Inuit in Grönland oder Massai in Afrika die Frage gestellt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben seien. Auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht) bis 7 (vollkommen) erreichten alle Gruppen die durchschnittliche Punktezahl von 5,8.

Meister des richtigen Timings

Ein erfolgreiches Unternehmen muss die Illusion wecken, dass gerade die von ihm erzeugten Produkte den Konsumenten noch zufriedener und glücklicher machen könnten. Dahlen nennt hier als bestes Beispiel Apple. Egal ob iPad, iPod oder iPhone, Apple schaffte es stets, mit seinen neuen Gadgets neue Hoffnungen und Bedürfnisse zu schaffen, auch weil Apple ein Meister des richtigen Timings ist – oder zumindest war.

Das beste Produkt ist also jenes, das es nicht gibt, denn wenn es dann auf dem Markt ist, warten alles bereits auf das nächste, noch bessere Modell. Nichts ist so wichtig wie die Vorfreude – und deshalb ist auch nichts so befriedigend wie das Schlange-stehen, um ein Produkt zu ergattern, meint zumindest Micael Dahlen. Im Gegensatz zu früher, als das Anstehen um Waren noch lästig war, ist es heute – in einer Welt der beliebigen Verfügbarkeit - ein Vergnügen.

Ein Buch von gestern

Der 1973 geborene Micael Dahlen bekam mit 34 Jahren einen Lehrstuhl an der Stockholm School of Economics und war damals einer der jüngsten Professoren Schwedens. Auf Fotos sieht Dahlen wie der prototypische Hipster aus: Vollbart, Turnschuhe und immer sehr, sehr cool. Dahlen kommt vom Marketing, das sieht man ihm an und das merkt man auch seinem Buch an. Aufwändig gestaltet ist es und voller Schlagworte. "Nextopia", "Nextpansion", "Blogarazzi", "Überschallkonsum", "Erwartungsgesellschaft". In jedem Kapitel erfindet Dahlen ein neues, sehr cooles Schlagwort, und in jedem zweiten Kapitel eine neue Generation.

Die "Generation Stress" ruft er ebenso aus wie die "Generation Boss". Dass sich hinter all diesen Schlagworten nicht sehr viel verbirgt, versteht sich von selbst. Dahlens Buch ist im Original bereits 2008 erschienen, deshalb wirkt es über weite Strecken seltsam antiquiert, denn – und wer wüsste das besser als Micael Dahlen selbst - nichts ist so alt wie der letzte Schrei von vor fünf Jahren.

Service

Micael Dahlen, "Nextopia. Freu dich auf die Zukunft - du wirst ihr nicht entkommen!", aus dem Schwedischen übersetzt von T. A. Wegberg, Campus Verlag

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